Wednesday, December 31, 2008

Jahresende: Zeit, einfach abzuschalten (zB den MW-Sender Bisamberg)

Am 31. Dezember 2008 wird der Sender Bisamberg, der letzte österreichische Mittelwellensender, abgeschaltet. Auch das DAB-Pilotprojekt, ebenfalls mit Sender am Bisamberg, wird zum Jahresende eingestellt. Weitere Informationen dazu gibt es im ORS-Blog; zur Sendeanlage Bisamberg gibt es zudem umfassende Informationen auf der Seite von Harald Chmela. Das zuletzt auf der Mittelwelle täglich von 18:00 bis 00:08 Uhr ausgestrahlte Mischprogramm mit Sendungen von Ö1, Volksgruppensendungen, Regionalprogrammen sowie "Eigenprogrammen in einer Experimentalzone, die von eigenständigen Redaktionen mit verschiedensten Interessen genutzt wird" (zB Schülerradio-Projekte), soll auch weiterhin - und zwar rund um die Uhr - im Streaming verfügbar sein (mehr dazu siehe 1476.orf.at, ab 1.1.2009 unter oe1.orf.at/campus).

Die Kurzwellen-Sendeanlage in Moosbrunn bleibt laut ORS übrigens weiterhin in Betrieb, mit reduziertem internationalen Programm (im Wesentlichen Sendungen von Ö1, ergänzt um einige Informationssendungen in englischer, spanischer und französischer Sprache (Details hier). Allerdings wird die Kuzrwellen-Sendeanlage schon derzeit überwiegend nicht zur Abstrahlung von ORF-Programmen genutzt, sondern für Sendungen anderer internationaler Rundfunkveranstalter. Im ORS-Blog heißt es dazu:

"Derzeit nutzen schon Anbieter wie RCI-Montreal (Sendungsaustausch), VoVietnam, BBC, DW, TWR, AWR und FEBA die Sendeanlagen von Moosbrunn. Weitere Anbieter sind dazu im Gespräch."

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Tuesday, December 23, 2008

Offene Rundfunk- und Telekom-Sachen vor EuGH und EuG

Nach den noch kurz vor Weihnachten getroffenen Entscheidungen in den Causen Régie Networks und Kabel Deutschland kann man nun einen Blick auf die aktuell noch offenen Rundfunk- und Telekom-Fälle vor dem EuGH bzw. dem EuG werfen. Hier wieder (zuletzt hier) eine aktualisierte Aufstellung, wie immer ohne Vollständigkeitsgewähr - zunächst der EuGH:
Beim Gericht erster Instanz ist anhängig:
Update 04.04.2009: diese Liste wird nicht mehr aktualisiert; ab sofort ist die aktuelle Liste der Verfahren hier zu finden!

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EuGH: französische Beihilfe für lokale Radiosender ungültig

Mit dem gestern verkündeten Urteil des EuGH (Große Kammer) in der Rechtssache C-333/07 Régie Networks wurde die Entscheidung der Kommission, keine Einwendungen gegen ein französisches Beihilfensystem zur Unterstützung lokaler Radiosender zu erheben, für ungültig erklärt. Die Wirkungen dieser Feststellung wurden jedoch bis zum Erlass einer neuen Entscheidung durch die Kommission ausgesetzt.

Nach dem streitgegenständlichen Beihilfensystem erhalten lokale Radiostationen unter bestimmten Voraussetzungen (insbesondere dürfen sie nicht mehr als 20% des Gesamtumsatzes aus Werbung und Sponsoring erlösen) staatliche Beihilfen (Einrichtungs-, Ausrüstungs- und Betriebsbehilfen). Finanziert werden diese Beihilfen aus parafiskalischen Abgaben auf im Hörfunk und im Fernsehen ausgestrahlte Werbung. Im Verfahren vor dem EuGH war allerdings nicht das derzeitige, sondern ein früheres Beihilfensystem strittig, da die Vorlagefrage von einem Verwaltungsgericht gestellt wurde, dass über einen Rückzahlungsantrag für diese Werbeabgaben zu entscheiden hatte; das aktuelle Beihilfensystem unterscheidet sich aber nur geringfügig.

Der EuGH hält fest, dass eine Beihilfe nicht getrennt von den Auswirkungen ihrer Finanzierungsweise untersucht werden darf. Die Kommission meinte zwar, dass eine Abgabe, mit der eine Beihilfemaßnahme finanziert werde, von der Kommission nur geprüft werden müsse, wenn ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Abgabepflichtigen und den Empfängern der fraglichen Beihilfen bestehe; diese Ansicht wurde vom EuGH jedoch zurückgewiesen.

Es bestand demnach eine enge Verbindung zwischen der Abgabe auf die Vermarktung von Werbezeiten und den mit ihr finanzierten Beihilfen: das Nettoaufkommen aus der Abgabe ist ausschließlich und vollständig für die Finanzierung der Beihilfen für den Hörfunk bestimmt und beeinflusst daher unmittelbar deren Umfang. Wörtlich heißt es in RNr. 112-116 des Urteils:

"Daraus folgt, dass die Abgabe auf die Vermarktung von Werbezeiten Bestandteil der Beihilferegelung für den Hörfunk ist, deren Finanzierung diese Abgabe dient.

Die Kommission musste diese Abgabe daher zwingend bei der Prüfung der betreffenden Beihilferegelung berücksichtigen, und zwar im Anschluss an die Anmeldung dieser Regelung im Rahmen der Vorprüfungsphase für die Beihilfen gemäß Art. 93 Abs. 3 EG-Vertrag. ...

Da die Kommission bei der Beurteilung der Vereinbarkeit der streitigen Beihilferegelung mit den Bestimmungen des Vertrags betreffend staatliche Beihilfen die Finanzierungsweise dieser Beihilfen nicht berücksichtigt hat, obwohl sie Bestandteil der Regelung war, ist die Beurteilung der Vereinbarkeit der fraglichen Regelung mit dem Gemeinsamen Markt zwangsläufig fehlerhaft."

PS: Da ich zum Urteil des EuGH vom 11. Dezember 2008 in der Rechtssache C-52/07 Kanal 5 und TV 4 keinen eigenen Beitrag in diesem Blog verfasst habe, verweise ich dazu auf content and carrier.

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Monday, December 22, 2008

Weihnachtsfrieden zwischen Kommission und Deutschland zum 3 Stufen-Test

Kurz vor Weihnachten ist Zeit für den Friedensschluss: nachdem die Ministerpräsidenten der deutschen Bundesländer letzte Woche den "12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag" (eigentlich: "Zwölfter Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge") unterzeichnet haben, gibt es nun auch eine gemeinsame Presseerklärung von Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes einerseits und den Ministerpräsidenten Kurt Beck (Rheinland-Pfalz) und Günther H. Oettinger (Baden-Württemberg) andererseits.

Das Wording der Aussendung ist, wie bei solchen Waffenstillstandserklärungen üblich, fein abgestimmt. Die Rede ist von den nun erfolgreich zum Abschluss gebrachten "Bemühungen der 16 Länder ..., die Aktivitäten von ARD und ZDF unter Einbeziehung der Interessen kommerzieller Medien auf eine gemeinschaftsrechtlich verlässliche Grundlage zu stellen" (Was ist eigentlich mit den Interessen der Zuschauer/Gebührenzahler/Pay-TV-Abonnenten etc.?)

Für das laufende österreichische Beihilfeverfahren ist sicher von Interesse, dass das deutsche Modell des Drei-Stufen-Tests von Kroes als "ein wichtiges Beispiel für die Art von Verfahren, die zur Sicherstellung effektiver Kontrolle auf nationaler Ebene erforderlich sind", bezeichnet wird; mit anderen Worten: wenn es so wie in Deutschland gemacht wird (unter der Verantwortung der Rundfunkräte, also von Organen der Rundfunkanstalten) wäre die Kommission schon zufrieden; auch die Modelle in Belgien, in Irland und im UK sind aus der Sicht der Wettbewerbskommissarin in Ordnung. Ausdrücklich betont Kroes zudem, dass auch eine neue Rundfunkmitteilung (zum Entwurf siehe hier) keine weiteren Anpassungen der Rechtslage in Deutschland notwendig machen werde (nachdem sich die deutschen öffentlich-rechtlichen Anstalten (zB WDR) und in alter Tradition der Staatsferne auch die Vertreter der Staatskanzleien und sonstige Politiker schon präventiv einmal ordentlich über den Entwurf aufgeregt haben).

[update 23.12.2008: die richtigen Links zu der auf der Website der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei eher versteckten aktuellen Fassung des 12. RFÄStV und zur Begründung fand ich bei Alexander Svensson, der die wesentlichen Punkte auch übersichtlich zusammenfasst)]

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EuGH: must carry für Teleshopping?

Der EuGH hat heute in seinem Urteil in der Rechtssache C-336/07 Kabel Deutschland den Mitgliedstaaten im Ergebnis sehr weitreichende Möglichkeiten zur Ausgestaltung von must carry-Verpflichtungen in Kabel-TV-Netzen eingeräumt.

Ausgangspunkt war ein Verfahren über die Belegung der analogen Kabelkanäle im Netz der Kabel Deutschland im Bundesland Niedersachsen. Nach den dort geltenden Rechtsvorschriften wurden von der Niedersächsischen Landesmedienanstalt (NLM) 18 der 32 verfügbaren Kanäle Rundfunkveranstaltern zugeteilt, die bereits über DVB-T terrestrisch verbreitet wurden (wenn auch nicht im gesamten Bundesland), ein Kanal wurde für das "Bürgerfernsehen" vorgesehen und für die übrigen 13 Kanäle legte die NLM die Rangfolge fest. Kabel Deutschland vertrat die Auffassung, dass die Bestimmungen des Niedersächsischen Mediengesetzes (NMedienG) nicht mit Art 31 Abs 1 der Universaldienst-RL vereinbar seien.

Nach dieser Bestimmung können die Mitgliedstaaten "zur Übertragung bestimmter Hör- und Fernsehrundfunkkanäle und -dienste den unter ihre Gerichtsbarkeit fallenden Unternehmen, die für die öffentliche Verbreitung von Hör- und Fernsehrundfunkdiensten genutzte elektronische Kommunikationsnetze betreiben, zumutbare Übertragungspflichten auferlegen, wenn eine erhebliche Zahl von Endnutzern diese Netze als Hauptmittel zum Empfang von Hörfunk- und Fernsehsendungen nutzen. Solche Verpflichtungen dürfen jedoch nur auferlegt werden, soweit sie zur Erreichung klar umrissener Ziele von allgemeinem Interesse erforderlich sind; sie müssen verhältnismäßig und transparent sein. Sie werden regelmäßig überprüft."

Da der Empfang über Kabel in Deutschland 57% der Haushalte erreicht, ist das Kriterium der "erheblichen Zahl von Endnutzern" erfüllt; auch das Erfordernis einer "bestimmten" Festlegung der zu übertragenden Kanäle ist auf Grund der gesetzlichen Regelung, die auf alle zur terrestrischen Verbeitung zugelassenen Kanäle abstellt, erfüllt.

Besonders betont der EuGH die Abgrenzung zwischen dem Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste, der keine Regulierung der Inhalte vorsieht, einerseits und den im Allgemeininteresse gelegenen Regeln insbesondere in Bezug auf die Regulierung von Rundfunkinhalten (RNr. 32-34 des Urteils); er verweist auch ausdrücklich auf die Bedeutung von Art 10 EMRK (RNr 33 und 37). Wörtlich heißt es in RNr. 34:
"Daraus folgt, dass die Auslegung von Art. 31 Abs. 1 der Universaldienstrichtlinie nicht die nationalen Regelungen beeinträchtigen darf, die unter Beachtung des Gemeinschaftsrechts Ziele von allgemeinem Interesse verfolgen, insbesondere in Bezug auf die Regulierung von Inhalten und die audiovisuelle Politik. Entsprechend dieser Aufteilung der Zuständigkeiten begründet Art. 31 Abs. 1 der Universaldienstrichtlinie, der sich in deren Kapitel IV („Interessen und Rechte der Endnutzer“) einfügt, kein Recht des Kabelnetzbetreibers, die auszustrahlenden Kanäle zu wählen, sondern schränkt dieses Recht ein, soweit es nach dem anwendbaren nationalen Recht besteht."
Die Aufrechterhaltung eines pluralistischen Rundfunkwesens, die das NMedienG gewährleisten soll, steht - so der EuGH - im Zusammenhang steht mit der durch Art. 10 EMRK garantierten Meinungsfreiheit, die zu den von der Gemeinschaftsrechtsordnung geschützten Grundrechten gehört. Die betreffende Regelung im NMedienG verfolgt demnach ein Ziel des Allgemeininteresses, da sie den pluralistischen Charakter des Fernsehkanalangebots im Land Niedersachsen erhalten soll und damit Teil einer Kulturpolitik ist, die die Meinungsfreiheit der verschiedenen gesellschaftlichen, kulturellen und sprachlichen Strömungen im audiovisuellen Bereich in diesem Land schützen soll.

Eine Grenze finden die Übertragungspflichten dort, wo sie sich für den Kabelnetzbetreiber als unzumutbar erweisen, "weil sie solcher Art sind, dass der Betreiber sie – gegebenenfalls im Hinblick auf die Gesamtheit seiner Tätigkeiten – nicht unter wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen erfüllen kann." Dies zu beurteilen, ist allerdings Sache des nationalen Gerichts, das dabei auch zu berücksichtigen hat, ob die auferlegten Pflichten die Gewährung eines Entgelts im Sinne des Art 31 Abs 2 Universaldienst-RL erforderlich machen. Grundsätzlich ist aber auch die vollständige Belegung aller verfügbaren Kanäle durch die Behörde "im Rahmen eines transparenten, die Rechte des Kabelnetzbetreibers wahrenden Verfahrens" zulässig, um der größtmöglichen Zahl von Nachfragern, die dies aufgrund der ausgestrahlten Kanäle verdienen, den Zugang zum analogen Kabelnetz zu ermöglichen.

Auch bei der Frage, ob unter Fernsehdiensten im Sinne des Art 31 Universaldienst-RL auch Anbeiter von "Mediendiensten bzw. Telemedien, z.B. Teleshopping" zu verstehen seien, verweist der EuGH auf die Trennung zwischen der den Betreibern von Kommunikationsnetzen und -diensten auferlegten Übertragungspflicht und der inhaltlichen Beurteilung, die nicht Gegenstand des Art 31 der Universaldienst-RL sind; diese Vorschrift "bezieht sich nämlich nicht auf den Inhalt der Fernsehkanäle und ‑dienste, sondern regelt ihre Übertragung mit Hilfe von Telekommunikationsnetzen." (RNr. 60) Auch Telemedien wie zB Teleshopping sind aber nach der Fernseh-RL Fernsehdienste (und dieses Verständnis ist auf die Universaldienst-RL übertragbar), sodass im Ergebnis die Mitgliedstaaten sogar Übertragungspflichten für Teleshopping-Programme festlegen könnten. Wie weit aber must carry-Regeln für Teleshopping noch mit Zielen des Allgemeininteresses begründet werden können, dies zu prüfen ist wiederum Sache des nationalen Gerichts.

Der EuGH ist in diesem Urteil erkennbar bemüht, bei der Entscheidung über Übertragungspflichten nach der Universaldienst-RL auf keinen Fall der mitgliedstaatlichen Beurteilung im Hinblick auf die Regulierung von Rundfunkinhalten vorzugreifen, selbst wenn die konkrete Regulierung noch so überbordend ist wie nach dem NMedienG. Die Befürchtung mancher Rundfunkjuristen, dass der "Telekom-Rechtsrahmen" zum Einfallstor für einen "Eingriff Brüssels" in nationale Traditionen der Inhalteregulierung wird, scheint sich damit jedenfalls für die must carry-Regeln nicht zu bewahrheiten.

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Fidlers Feinstes: Von Abzockfernsehen bis Zeitungssterben

Seit der Präsentation des neuesten Buchs von Der Standard-Medienredakteur Harald Fidler, "Österreichs Medienwelt von A bis Z", (hier ein Link zur Bestellmöglichkeit beim Verlag) sind schon gut vier Wochen vergangen. Eigentlich wollte ich eine kurze Notiz dazu in diesem Blog gleich am Wochenende nach der Präsentation schreiben, aber Fidlers Buch (das dritte nach "Sendepause" und "Im Vorhof der Schlacht") ist kein Werk, das man an einem Wochenenede schnell einmal überfliegt oder einfach zwischendurch liest und damit "erledigt" hat.

In den gut 600 Seiten dichter Information kann man sich schon einige Zeit lang verlieren, folgt der lexikalisch aufbereiteten Informationsfülle von einem Verweis zum nächsten und erfährt vieles, das manche Betroffene wohl lieber geheim gehalten hätten. Liest man etwa den umfassenden Abschnitt über den ORF, so kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Fidler umfassender informiert ist als so manches Mitglied des Stiftungs- oder Publikumsrates. Das Buch ist nicht nur eine Quelle für alle möglichen Marktdaten und historischen Informationen, es ist auch reich an farbigen Details - an "G'schichtln", die nur auf den ersten Blick vielleicht trivial wirken, insgesamt aber ein sehr lebendiges Bild der österreichischen Medienlandschaft zeichnen. Und natürlich ist "Österreichs Medienwelt von A-Z" auch eine wahre Fundgrube für Zitate (zB von Styria-Chef Horst Pirker, der den Fellner-Brüdern [News, dann Österreich] im Zusammenhang mit ihrem Geschäftsmodell für News den Gedankengang unterstellt: "Wenn ich dem Trottel Leser eine goldene Uhr schenke, wird er mein Scheißblatt schon kaufen").

Bei der Präsentation des Buches am 20. November 2008 war der Andrang so groß, dass viele Gäste keinen Sitzplatz mehr bekamen - auch ORF-Stiftungsratsmitglied Karl Krammer ("Freundeskreis"-Leiter der SP-nahen Stiftungsräte), oben im Bild, hörte sich stehend an, was Anneliese Rohrer, Armin Thurnher und Buchautor Harald Fidler am Podium zu sagen hatten (siehe dazu hier, hier oder hier). Thurnher bezeichnete das Podium übrigens als "die drei Kassandras", und zwischenzeitig hat er zumindest seinen Ruf als altmodischer Prophet des Untergangs - der sich weigert, "das Internet als Medium ernst zu nehmen" - eindrucksvoll bestätigt (mehr dazu hier oder hier).

Die Präsentation von Fidlers Buch fand im Galaxy Tower (von Falter-Architekturkritiker Jan Tabor als "eines der plumpsten Bürohäuser in Wien" bezeichnet) stand, was schon insofern bemerkenswert ist, als dort vor einigen Jahren noch die Verlagsgruppe NEWS ihren Sitz hatte - nun residiert dort (allerdings einige Stockwerke tiefer) die Bundeswettbewerbsbehörde, die auch die Räumlichkeiten für die Präsentation zur Verfügung stellte. Der "Hausherr", Generaldirektor für Wettbewerb Dr. Theodor Thanner, wies in seinen Begrüßungsworten ausdrücklich darauf hin, dass es diese Behörde erst seit 2002 gibt - und dass daher die wesentlichsten Medienfusionen, die in Fidlers Buch kritisch beschrieben werden, nicht mit dem Segen der Bundeswettbewerbsbehörde zustandegekommen sind.

PS: Aktualisierungen und Ergänzungen zum Buch gibt es auf der Website diemedien.at.
Disclaimer: Ja, dieser Text kann und soll als Kaufempfehlung verstanden werden; nein, es ist trotzdem keine Werbung, weil von Harald Fidler oder dem Verlag weder bestellt noch bezahlt noch beeinflusst.

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Friday, December 19, 2008

Mediendienste-RL: Nur Rumänien hat bisher umgesetzt

Ein Jahr ist vergangen seit dem Inkrafttreten der Änderung zur Richtlinie Fernsehen ohne Grenzen, die seither "Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste" heißt (hier die konsolidierte Fassung). Und in genau einem Jahr, am 19. Dezember 2009, müssen alle Mitgliedstaaten die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt haben. Zur Halbzeit des Umsetzunsgzeitraums hat die Europäische Kommission nun in einer Aussendung mitgeteilt, wie es bisher um die Umsetzung steht: nur Rumänien hat die Richtlinie bereits umgesetzt. Sonst gibt es fertige Entwürfe nur in Frankreich und im flämischen Teil Belgiens, sowie Entwürfe für einen ersten Teil der Umsetzung auch in Irland und Österreich. Der parlamentarische Prozess (für die gesamte Umsetzung) wurde noch nirgends gestartet, für besonders "schleppendes Tempo" ausdrücklich gerügt werden von der Kommission Dänemark, Deutschland, Italien, Slowakei, Slowenien und Spanien, weil in diesen Mitgliedstaaten noch keine öffentlichen Anhörungen stattgefunden haben.

In Österreich, wie von der Kommission erwähnt, gibt es eine erste Regierungsvorlage für eine Novelle zum PrTV-G- und zum PrR-G (Gesetzestext, Erläuterungen) mit der die bestehenden Beschränkungen für Fernsehwerbung und Teleshopping im Privatfernsehbereich zurückgenommen und an die neue Richtlinie angepasst werden sollen (die Regelung im Privatradiobereich wäre auf Grund der RL nicht notwendig, erfolgt aber aus gleichheitsrechtlichen Überlegungen). Ein fast wortgleicher Entwurf war bereits in der vergangenen Legislaturperiode eingebracht worden (674 Blg NR 23. GP), konnte aber wegen der vorgezogenen Neuwahlen nicht mehr behandelt werden.

Ähnliches gilt übrigesn für die Mediengesetz-Novelle, mit der die Sammlungstätigkeit der Nationalbibliothek für Online-Medien geregelt wird: auch hier wurde nach dem durch die Neuwahlen gestoppten ersten Anlauf nun neuerlich eine Regierungsvorlage eingebracht (ohne wesentliche Änderungen gegenüber dem bereits hier vorgestellten ersten Entwurf).

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Thursday, December 18, 2008

Eine Frage der Bildung: weiß Helmut Pechlaner, wen oder was er im ORF-Publikumsrat vertritt?

Hon.Prof. Dr. Helmut Pechlaner, Präsident des WWF Österreich, hat heute erklärt,
"mit sofortiger Wirkung von seinem ÖVP-Sitz im ORF-Publikumsrat" zurückzutreten (siehe ots-Aussendung des WWF).

Blöd nur, dass es einen solchen Sitz gar nicht gibt. Helmut Pechlaner wurde nämlich weder von der ÖVP vorgeschlagen noch von ihr bestellt (und natürlich ist er, wie alle Mitglieder der Kollegialorgane des Österreichischen Rundfunks kraft Gesetzes in Ausübung dieser Funktion auch an keine Weisungen und Aufträge gebunden). Ein Vorschlagsrecht der politischen Parteien besteht nämlich nur für sechs Mitglieder des Stiftungsrats (§ 20 Abs 1 Z 1 ORF-G), nicht aber für Mitglieder des Publikumsrats. Für den Publikumsrat - er soll die Interessen der Hörer und Seher wahren - gibt es einen recht komplizierten Bestellmodus (im Detail in § 28 ORF-G geregelt), der sich so zusammenfassen lässt:
  • 12 Mitglieder werden von bestimmten Organisationen bestellt, nämlich von den vier Sozialpartnern (WKÖ, BAK, PräKo und ÖGB), von den Kammer der freien Berufe, der römisch-katholischen sowie der evangelischen Kirche, der Akademie der Wissenschaften und schließlich je ein Mitglied von den "Parteiakademien" (korrekt: "Rechtsträger der staatsbürgerlichen Bildungsarbeit im Bereich der politischen Parteien (BGBl Nr. 369/1984)" - das ist der einzige Bereich, in dem die Bestellung im formellen Einflussbereich der politischen Parteien liegt);
  • die weiteren Mitglieder sollen bestimmte "Bereiche bzw Gruppen" repräsentieren, und zwar: "die Hochschulen, die Bildung, die Kunst, der Sport, die Jugend, die Schüler, die älteren Menschen, die behinderten Menschen, die Eltern bzw. Familien, die Volksgruppen, die Touristik, die Kraftfahrer, die Konsumenten und der Umweltschutz."
  • von letzteren werden 6 vom Publikum gewählt und 17 vom Bundeskanzler bestellt, und zwar aus Vorschlägen, die von Organisationen erstattet wurde, die für die genannten Gruppen bzw. Bereiche repräsentativ sind, "wobei für jeden Bereich ein Mitglied zu bestellen ist."
Helmut Pechlaner wurde für den Bereich Bildung bestellt (eine Begründung, warum eine Bestellung für einen bestimmten Bereich erfolgt, braucht der Bundeskanzler nicht zu geben). Ganz egal, welche politische Position Helmut Pechlaner auch vertritt, sein Sitz im Publikumsrat ist nicht deswegen schon ein "ÖVP-Sitz" - einem Vertreter des Bereichs Bildung hätte ich dieses Wissen schon zugetraut.

PS: Pechlaners Rücktritt soll ein Protest sein "gegen die Abqualifizierung und Verunglimpfung der Umweltorganisationen als 'Aktivisten und Demonstranten' durch Vizekanzler Josef Pröll." Pechlaners Protest sei ihm unbenommen - aber was hat eigentlich seine Funktion im Publikumsrat mit dieser konkreten politischen Frage zu tun? Warum tritt er nicht aus einer seiner (laut Publikumsrats-Website) "zahlreichen Funktionen im Tierhaltungs-, Tierschutz- und Umweltbereich" zurück, was näher am Thema wäre?

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Tuesday, December 16, 2008

(Werbe)Fenster zu - es zieht (Geld ab)?

100 Millionen Euro sind in einer Diskussion über den ORF offenbar kein Geld - und ich meine jetzt nicht den vom Generaldirektor in dieser Größenordnung prognostizierten Jahresverlust 2008. Um gerade einmal 100 Millionen Euro unterscheiden sich nämlich auch jene Beträge, die innerhalb der letzten paar Tage von Ex-ORF-Generalintendant Gerhard Weis (im profil) einerseits und von ORF-Redakteur Armin Wolf (im Standard) andererseits über die Ausgaben für "österreichische" Werbung in "Werbefenstern" deutscher Privatsender genannt wurden.

Weis: "Rund 300 Millionen Euro (!) fließen jährlich (!) aus dem österreichischen Werbetopf zu ausländischen Privatsendern, die kaum nennenswerte Gegenleistungen für Österreich erbringen." (Rufzeichen im Original) Er führt das auf das ORF-Gesetz 2001 zurück und meint, dass die "Reparatur dieser und vieler anderer Bestimmungen dieses Gesetzes ... im Interesse aller österreichischen Medien dringend notwendig" scheint.

Armin Wolf schreibt: "Ähnlich unbeteiligt schaut man dabei zu, wie weitere 200 Millionen jährlich in den Werbefenstern deutscher Kommerz-Programme versendet werden, ohne dass dafür auch nur zehn Minuten Österreich-relevantes Programm entstehen. Eine Menge Themen also, für die Politiker durchaus zuständig wären."

Das Interview mit Gerhard Weis ordnete ich zunächst einmal gedanklich der Rubrik "News from the Nonsense Department" zu (als ich vor vielen Jahren noch regelmäßig den New Yorker las, gab es dort unter dieser Überschrift gelegentlich Notizen mit skurrilen Meldungen anderer Medien). Zwar ist es eigentlich bestürzend, welche Vorstellungen sich ein Ex-ORF-GD (der das Unternehmen in Zeiten der Mitgliedschaft Österreichs in der EU geführt hat!) über die gemeinschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen des Fernsehens macht, aber die Wahrscheinlichkeit, dass Weis bei einer Änderung des ORF-Gesetzes eine wesentliche Rolle spielen wird, dürfte doch eher gering sein.

Der Beitrag von Armin Wolf zeigt aber, dass die Weis'schen Fehlvorstellungen auch bei einer jüngeren, kritischen ORF-Generation verankert sind. Zwar sind es bei ihm hundert Millionen weniger, die an deutsche Kommerz-Programme fließen*), aber der Ansatz ist gleich: Politiker (also wohl Regierung und/oder Abgeordnete) sollen etwas dagegen tun. Unklar bleibt, wie sich Armin Wolf das vorstellt: soll das seit Jahrzehnten geltende Sendestaatsprinzip (nunmehr Art 2 der Mediendienste-RL, früher der Fernseh-RL) aufgegeben werden? Davon müsste erst einmal die Kommission und dann eine qualifizierte Mehrheit im Rat und das Parlament überzeugt werden. Da scheint die zweite Möglichkeit fast schon ähnlich realistisch: Austritt aus der EU, oder zumindest Abschaffung des Grundsatzes der Dienstleistungsfreiheit.

Auch bei den Hinweisen auf die Landeshauptleute und die Bundesregierung ist Armin Wolf nicht ganz bei den Fakten (aber vielleicht hält er es mit seinem TV-Chefredakteur Amon, der eine "tatsachennahe" Berichterstattung einforderte): einerseits gehen natürlich keine 34% der "ORF-Gebühren" (die es gar nicht gibt) an Land und Bund, sondern es werden gemeinsam mit dem Programmentgelt, und von der einhebenden ORF-Tochtergesellschaft klar ausgewiesen, die Rundfunkgebühren und (teilweise) Landesabgaben eingehoben, und andererseits zeigt sich auch "die Bundesregierung" nicht großzügig bei der Befreiung sozial Schwacher, schon gar nicht auf Kosten des ORF (siehe dazu schon näher hier). Der ORF - auch hier der Stiftungsrat - hat es in der Hand, die Programmentgelte anzupassen, ein Ausreden auf die gesetzlich (also nicht von der Regierung) vorgesehenen, seit langem im Wesentlichen unveränderten Befreiungen schiebt die Verantwortung gerade den "Politikern" zu, deren Einmischung sich Wolf sonst (zurecht) verbietet.

*) Fraglich scheint, ob die 300 oder 200 Millionen stimmen, oder ob es nicht um andere Beträge geht. Harald Fidler schreibt in seinem Buch von brutto(!) 180 Millionen; Walter Zinggl von der ORF-Enterprise wurde Anfang September dazu so zitiert: "Es sei den Vermarktungsagenturen der deutschen Werbefenster vergönnt, sich an ihrem Bruttoumsatz zu erfreuen. Nichtsdestotrotz, wer den Werbemarkt und seine Usancen kennt, weiß auch um seine Messgrößen". Schließlich wäre auch zu prüfen, was es mit dem angeblich völlig fehlenden Österreich-relevanten Programm auf sich hat.

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EuGH: SMS-Mitteilungen können journalistische Tätigkeit sein

Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Probleme auch von gewinnorientierten Medienunternehmen musste es vielleicht einmal gesagt werden: grundsätzlich schließt Gewinnerzielungsabsicht nicht aus, dass das entstehende Produkt journalistische Zwecke verfolgt. Wörtlich sagte der EuGH in seiner heutigen Entscheidung der Rechtssache C-73/07 Satakunnan Markkinapörssi und Satamedia:

"die Tatsache, dass eine Veröffentlichung ... mit der Absicht verbunden ist, Gewinn zu erzielen, [schließt] nicht von vorneherein aus, dass sie als eine Tätigkeit angesehen werden kann, die 'allein zu journalistischen Zwecken erfolgt'. ... Ein gewisser kommerzieller Erfolg kann sogar die unverzichtbare Voraussetzung für den Fortbestand eines professionellen Journalismus sein."

Das Verfahren betraf die Auslegung der Datenschutzrichtlinie 95/46/EG, nach deren Artikel 9 die Mitgliedstaaten "für die Verarbeitung personenbezogener Daten, die allein zu journalistischen, künstlerischen oder literarischen Zwecken erfolgt, Abweichungen und Ausnahmen" vorsehen können, allerdings nur insofern, "als sich dies als notwendig erweist, um das Recht auf Privatsphäre mit den für die Freiheit der Meinungsäußerung geltenden Vorschriften in Einklang zu bringen."

In Finnland erscheint im Verlag von Satamedia eine Zeitung, deren "Hauptzweck die Veröffentlichung persönlicher Steuerdaten" ist. In dieser Zeitung werden jährlich "Namen und Vornamen von etwa 1,2 Millionen natürlichen Personen, deren Einkommen bestimmte Schwellenwerte überschreitet, sowie auf 100 Euro genau deren Einkommen aus Kapital und Erwerbstätigkeit und Angaben zur Besteuerung ihres Vermögens" veröffentlicht. Die Daten werden legal von den Steuerbehörden bezogen. Strittig war nun die Weiterverarbeitung der Daten, denn Satamedia bietet auch einen SMS-Dienst an, "der es Nutzern von Mobiltelefonen ermöglicht, sich gegen Zahlung von etwa zwei Euro die in der Zeitschrift Veropörssi veröffentlichten Daten auf ihr Telefon senden zu lassen." Die Datenschutzbehörden wollten diesen Dienst untersagen. Der Oberste Verwaltungsgerichtshof ersuchte den EuGH um Vorabentscheidung.

Der EuGH kommt zusammengefasst zum Ergebnis, dass eine Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne der RL 95/46/EG vorliegt, dass aber der SMS-Infodienst, wenn er "ausschließlich zum Ziel [hat], Informationen, Meinungen oder Ideen in der Öffentlichkeit zu verbreiten," zulässig ist, weil er in diesem Fall "allein zu journalistischen Zwecken erfolgt". Bemerkenswert - gerade auch für Veröffentlichungen im Internet (zB in Blogs!) - sind die Ausführungen zur journalistischen Tätigkeit; der EuGH weist ausdrücklich (RNr. 60) darauf hin, dass "die Entwicklung und die Vervielfältigung der Mittel zur Kommunikation und zur Verbreitung von Informationen berücksichtigt werden" muss. Der Träger, mit dem die verarbeiteten Daten übermittelt werden – "ob es sich um einen klassischen Träger wie Papier oder Radiowellen oder aber um einen elektronischen Träger wie das Internet handelt" –, ist daher nicht ausschlaggebend für die Beurteilung, ob es sich um eine Tätigkeit "allein zu journalistischen Zwecken" handelt. Ausdrücklich sagt der EuGH auch (RNr. 61): "Journalistische Tätigkeiten sind nicht Medienunternehmen vorbehalten".

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Verschärfte Verschärfung: ORF-Geschäftsbericht 2007

Am 15. Dezember 2008 ist nun doch noch der ORF-Geschäftsbericht 2007 (pdf-download 7,69 MB!) erschienen. Wie jedes Jahr soll damit "die erfolgreiche Weiterentwicklung des Unternehmens" (Lindner im Bericht 2005, gleichlautend Wrabetz in den Berichten 2006 und 2007, jeweils im ersten Satz) dargestellt werden (ob dieser Textbaustein auch im kommenden Jahr verwendet wird?). Im Bericht geht es daher im Wesentlichen um eine Darstellung der "Highlights" (allein dieser Begriff kommt 22 mal vor) bzw. der "Höhepunkte" (dreizehn Nennungen), wobei etwa die "Dancing Stars" gleich an zehn verschiedenen Stellen hervorgehoben werden, zB schon im Vorwort des Generaldirektors, dann im Abschnitt Unternehmenspolitik einmal unter dem Stichwort Programmreform, und gleich darauf unter "Weitere (?) TV-Highlights", aber genauso auch im Abschnitt Technik ("herausragende Events im Studiobereich") oder bei den Onlineangeboten und beim Multitext.

Bei so vielen Highlights und Höhepunkten aus dem Programm bleibt die Information zum Unternehmen selbst sehr dünn. So wird lediglich der nackte Jahresabschluss ohne Anhang und ohne Lagebericht abgedruckt, und die wenigen ergänzenden Angaben in diesem Zusammenhang sind merkwürdig unvollständig. Zum Beispiel werden zwar die Tochtergesellschaften aufgezählt, darunter auch die Tourismusfernsehen GmbH (richtig: TW1 Tourismus Fernsehen GmbH) mit dem stolzen Hinweis auf eine Ergebnisverbesserung auf ein EGT von € 108.000, verschwiegen wird aber die TW1 Betriebsführungs GmbH (mit einem negativen Jahresergebnis von € -88.300). Hinweise auf Entwicklungen seit dem Ende des Geschäftsjahres 2007, die angesichts der seither vergangenen immerhin elfeinhalb Monate zu erwarten gewesen wären, fehlen gänzlich.

Für nähere Informationen zur Finanzlage des ORF wird die Öffentlichkeit wohl auf das zuletzt von Generaldirektor Wrabetz versprochene "Finanzierungshandbuch" warten müssen. Zu hoffen bleibt, dass es etwas konkreter wird als das "ORF-Finanzierungsbuch" aus dem Jahr 2000 (soweit ich weiß, war das nie online). Freilich enthält auch dieses alte "Finanzierungsbuch" einige Passagen, auf deren Wiederkehr im neuen Handbuch man fast wetten könnte - so hieß es zum Beispiel im Vorwort:
"Attraktives Programm, die Fortsetzung des Sparkurses und die optimale Nutzung des bestehenden Finanzierungspotentials sind die Eckwerte einer Strategie, die dem ORF auch in Zukunft eine starke Position im Wettbewerb sichern soll."
Unterzeichnet ist dieses Vorwort vom damaligen Generalintendant Gerhard Weis - und von Dr. Alexander Wrabetz, damals kaufmännischer Direktor des ORF.

In den Geschäftsberichten lässt sich inzwischen immerhin eines nachvollziehen: die verschärfte Wettbewerbssituation hat sich weiter verschärft und verschärft - ein paar Zitate aus den Berichten 2005 bis 2007 (ältere Berichte sind online nicht auffindbar):
  • "Wiederum verschärft hat sich für den ORF die Konkurrenzsituation mit in- und ausländischen elektronischen Medien." (2005, S. 8)
  • "Wiederum verschärft hat sich für den ORF die Konkurrenz mit in- und ausländischen Medien." (2006, S. 9)
  • "Die Wettbewerbssituation hat sich für den ORF im Jahr 2007 weiter verschärft." (2007, S. 10)
  • "... hat sich die Wettbewerbssituation für den ORF in den vergangenen Jahren weiter verschärft." (2005, S. 38)
  • "Die Wettbewerbssituation hat sich für den ORF in den vergangenen Jahren kontinuierlich verschärft." (2006, S. 24)
  • "Die Wettbewerbssituation hat sich für den ORF im Jahr 2007 in besonderem Maße verschärft." (2007, S. 24)
In unsicheren Zeiten wie diesen ist es aber tröstlich, dass man sich auf manche Prognosen verlassen kann. So hat Generaldirektor Wrabetz im Vorwort zum Geschäftsbericht 2006 Folgendes angekündigt: "Auf Grund der fortschreitenden Digitalisierung wird sich der Konkurrenzdruck aber weiterhin dramatisch verschärfen, was sich auch bei den Marktanteilen auswirken wird." Und tatsächlich, schon im Vorwort zum Geschäftsbericht 2007 kann er festhalten, dass die Vorhersage eingetroffen ist: "Aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung hat sich der Konkurrenzdruck verschärft, was sich auch auf die Marktanteile auswirkt."

PS: Das Sport-Spartenprogramm SPORT PLUS hat im Jahr 2007 angeblich 2.573 Stunden öffentlich-rechtliche Programmleistung erbracht: ich habe zufällig gestern und auch vor einigen Tagen kurz nach halb elf Uhr abends hineingeschaut und dabei jeweils mehrere Minuten lange vollkommen unmotivierte und unkommentierte Aneinanderreihungen von (oft technisch miserablen) Ausschnitten aus Sportereignissen im weiteren Sinn (einschließlich irgendwelcher Auto-Crash-Veranstaltungen) gesehen, fast ausschließlich Unfälle oder Unglücksfälle - brennende Autos, stürzende Skifahrer oder Motorradfahrer, abstürzende Skispringer etc. Öffentlich-rechtliches Sportfernsehen hätte ich mir irgendwie anders vorgestellt - aber so passt es wenigstens zu TW1.

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Thursday, December 11, 2008

EGMR: gänzliches Verbot politischer Werbung im Fernsehen verstößt gegen Art 10 EMRK

In den meisten westeuropäischen Ländern, darunter zB Deutschland, Frankreich und das Vereinigte Königreich (nicht aber in Österreich), ist bezahlte politische Werbung im Fernsehen verboten. In einem heute verkündeten Urteil ist der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte jedoch zum Ergebnis gekommen, dass ein generelles Verbot politischer Fernsehwerbung, wie es in Norwegen besteht, mit Art 10 EMRK nicht vereinbar ist (TV Vest und Rogaland Pensjonistparti gegen Norwegen, Appl. No. 21132/05).

Die Pensionistenpartei von Rogaland, einer Region im Südwesten Norwegens, die bei Wahlen nicht über 2,3% hinausgekommen war und in der redaktionellen Berichterstattung im Fernsehen praktisch nicht vorkam, hatte bei TV Vest drei politische Spots a 15 Sekunden geschaltet, die sieben Mal täglich während acht Tagen kurz vor den Regionalwahlen gesendet wurden. Die Spots sollten die Werte der Pensionistenpartei darstellen und enthielten auch eine Einladung, diese Partei zu wählen. Wie der EGMR ausdrücklich - in Abgrenzung zum Fall Murphy - festhält, enthielten die Spots keinen Inhalt, durch den die moralischen oder religiösen Überzeugungen der Seher verletzt werden konnten (wörtlich heißt es: "there is nothing to suggest that the adverts included any contents that might be liable to offend intimate personal convictions within the sphere of morals or religion."). Der Rundfunkveranstalter wurde wegen der Ausstrahlung von der Medienbehörde mit einer Geldstrafe (umgerechnet etwa 3800 €) belegt. Die angerufenen nationalen Gerichte hielten die Strafe aufrecht; der Oberste Gerichtshof (der auch Verfassungsgericht ist) setzte sich in seinem Urteil ausführlich mit der Judikatur des EGMR, insbesondere den Fällen VgT und Murphy, auseinander; auch im abweichenden Sondervotum, das vom EGMR noch umfassender als das Urteil zitiert wird, erfolgt eine differenzierte Auseinandersetzung mit Art 10 EMRK.

Der EGMR schlägt sich im Ergebnis auf die Seite der dissenting opinion im nationalen Verfassungsgericht. Außer Streit steht, dass das Verbot politischer Werbung ein Eingriff in die Meinungsäußerungsfreiheit ist, der auch im Gesetz vorgesehen ist und ein legitimes Ziel verfolgt, nämlich den Schutz der Rechte anderer. Strittig war damit nur, ob der Eingriff auch "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" ist. Dabei beziehen sich alle Verfahrensparteien wie auch der EGMR ausführlich auf ein Hintergrundpapier über politische Werbung der EPRA (Europäische Plattform der Regulierungsbehörden), in dem die Situation in 30 europäischen Ländern dargestellt wird. Demnach gibt es in 13 Staaten ein gesetzliches Verbot bezahlter politischer Werbung, in zehn Staaten ist sie erlaubt, in 11 Staaten bestehen auch Regelungen über die Zurverfügungstellung von "airtime" für politische Parteien und Kandidaten während des Wahlkampfs (darunter auch in Staaten, in denen bezahlte politische Werbung verboten ist).

Der EGMR schließt aus dieser Übersicht, dass die Unterschiedlichkeit der Regelungen dafür spricht, einen etwas größeren Beurteilungsspielraum zuzulassen, als er üblicherweise bei Eingriffen in die Freiheit politischer Meinungsäußerung nach Art 10 EMRK anerkannt wird. Der EGMR anerkennt auch die Ziele des Verbots, insbesondere dass nur Fernsehwerbung - wegen des "powerful and pervasive impact" dieses Mediums - verboten ist, dass damit auch die Wahlkampfkosten und die Abhängigkeit der Kandidaten von Spenden begrenzt würden, und dass schließlich auch ein "level playing field" und der Schutz der Integrität des demokratischen Prozesses erreicht werden sollte. Wohlhabende Parteien bzw Kandidaten sollten nicht dadurch einen Vorteil haben, dass sie sich Werbung im wirkungsmächtige Fernsehen leisten können, und außerdem sollte die politische Objektivität des Fernsehens gewahrt werden. Der EGMR dazu: "These are undoubtedly relevant reasons ... However, the Court is not convinced that these objectives were sufficient to justify the interference".

Zunächst war gerade die Pensionistenpartei keine der besonders finanzstarken Parteien, die einen besonderen Vorteil aus der Fernsehwerbung ziehen hätten können - im Gegenteil. Anders als die großen politischen Parteien, die in der redaktionellen Berichterstattung breit vorkamen, war über die Pensionistenpartei fast überhaupt nicht berichtet worden (und wenn, dann überwiegend nur wegen des Verfahrens gerade über die gegenständliche politische Werbung). Auch waren die konkreten Spots nicht geeignet, die Qualität der politischen Debatte zu schmälern, und insbesondere - im Unterschied zum Fall Murphy - "it does not appear that the advertising could give rise to sensitivities as to divisiveness or offensiveness making a relaxation of the prohibition difficult."

Der norwegischen Regierung gelang es damit nicht aufzuzeigen, dass es keine gangbare Alternative zu einem vollständigen Verbot politischer Fernsehwerbung gegeben hätte, sodass ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Recht auf freie Meinungsäußerung vorliegt.

In zumindest 13 europäischen Staaten wird man sich nun Gedanken machen müssen, ob die jeweiligen Verbotsregelungen den strengen Verhältnismäßigkeitstest durch den EGMR bestehen können.

PS: Die Hintergrundpapiere der EPRA sind nicht nur für den EGMR ein guterAusgangspunkt, wenn man eine Übersicht über aktuelle Medienregulierungsthemen in Europa will; zuletzt etwa ein kurzes Übersichtsdokument über die Rolle von Regulierungsbehörden bei der Aufsicht über öffentlich-rechtliche Rundfunkveranstalter.
PPS (update 12.12.2008): besonders hinweisen muss ich natürlich auf den Beitrag von Klaus Kassai, Politische Werbung im Fernsehen (hier zu lesen), mit einer umfassenden Analyse der österreichischen Situation.
Noch ein update (14.12.2008): Daithí Mac Síthigh auf Lex Ferenda stellt die Entscheidung im Kontext auch jüngster Entscheidungen von Ofcom (1, 2) und des House of Lords dar, sowie der irischen Situation dar, auch mit Links auf weitere Blogs, die sich mit dem Urteil befassen (OfcomWatch, MediaPal@LSE, Adrian Monck).

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Wednesday, December 10, 2008

Beispielhafte Praxis: EU-Kommission lobt Österreich für DVB-H

Mobiles Fernsehen hat bislang europaweit noch nicht ganz so abgehoben wie sich das die Europäische Kommission gewünscht hat. Nachdem die Kommission sich im März dieses Jahres auf den DVB-H-Standard festgelegt hat (basierend auf Art 17 der RahmenRL), hat sie heute "Leitlinien für die Genehmigung von Mobilfernsehdiensten" beschlossen (so heißt es in der Presseaussendung; formal ist es eine Mitteilung mit dem Titel: "Rechtsrahmen für Mobilfernsehnetze und -dienste: Beispielhafte Genehmigungspraxis – das EU-Modell"). Die Kommission will damit "ihr starkes Engagement für den Ausbau neuer Dienste für die europäischen Verbraucher" demonstrieren; aber die knapp elf Seiten der Mitteilung umfassen eigentlich nur eine eher luftige Zusammenfassung von "best practices", von denen sich die Kommission wünscht, dass sie von den Mitgliedstaaten beachtet werden.

Österreich gehört zu den nur vier Mitgliedstaaten (neben Italien, Finnland und den Niederlanden), in denen - nach Ansicht der Kommission - eine "erfolgreiche kommerzielle Einführung des Mobilfernsehens" stattgefunden hat. Gesonderte Rechtsvorschriften für Mobilfernsehen gibt es nur in Österreich, Finnland, Frankreich und Deutschland. Bei der Beurteilung der drei Hauptregulierungsmodelle, die von der Kommission in Europa ausgemacht werden, schneidet Österreich mit seinem "integrierten Ansatz" am besten ab (Seite 5 der Mitteilung); die Kommission sieht diesen Zugang als "beispielhafte Praxis", nach dem sich nationale Genehmigungsregelungen für das Mobilfernsehen richten sollten.

Und weil sich die Kommission offenbar gar so freut, dass Österreich hier vorangeht, ist sie auch in der sonstigen Beurteilung milde: so weist sie zwar (auf Seite 9 der Mitteilung) darauf hin, dass "keine Übertragungspflichten im Mobilfernsehen auferlegt werden dürfen", verzichtet aber darauf, die österreichische Regelung in § 25a Abs. 5 Z 6 PrTV-G, die genau solche must carry-Bestimmungen (allerdings befristet bis Ende 2009) enthält, besonders hervorzuheben.

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Tuesday, December 09, 2008

"Wert über Gebühr": Der erste Public Value Bericht des ORF

Wie der ORF seinen gesetzlichen Auftrag erfüllt, muss er in seinem Jahresbericht nach § 8 ORF-Gesetz jedes Jahr bis zum 31. März an National- und Bundesrat berichten (dort interessierte sich übrigens lange Zeit lang niemand für diesen Bericht - nach der Geschäftsordnung ist er auch kein Gegenstand der Verhandlung im National- oder Bundesrat; nur die Grünen haben heuer einmal versucht, den Bericht auch zu thematisieren). Und der ORF selbst versteckte diesen Bericht immer so gut als möglich, was angesichts der textlich wie grafisch lieblosen Zusammenstellung durchaus verständlich war; online waren die Jahresberichte überhaupt nie verfügbar.

Der heute von ORF-Generaldirektor Wrabetz präsentierte Public Value Bericht unterscheidet sich schon optisch deutlich vom Jahresbericht und ist - beim ORF ist das nicht selbstverständlich - auch online verfügbar (pdf-download 12,85 MB!). Unter dem Titel "WERT über GEBÜHR" versucht der Bericht auch einen moderneren Zugang, der über die beziehungslose Aufzählung von mehr oder weniger öffentlich-rechtlichen Programminhalten hinausgeht. In "fünf Qualitätsdimensionen [individueller Wert, Gesellschafts-, Österreich-, internationaler und Unternehmenswert] und 18 Kategorien [Vertrauen, Service, Unterhaltung, Wissen, Verantwortung; Vielfalt, Orientierung, Integration, Bürgernähe, Kulturauftrag; Identität, Wertschöpfung, Föderalismus; Europa-Integration, Globale Perspektive; Innovation, Transparenz, Kompetenz]" will der Bericht "Wert und Nutzen der ORF-Leistungen" dokumentieren. Auch wenn das an mancher Stelle noch recht allgemein ist, könnte es doch eine gute Basis für die weitere Diskussion schaffen - etwa ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk tatsächlich als Teil seines Auftrags unbedingt Telefonseelsorge-Leistungen anbieten und noch weiter ausbauen muss, um nur ein Beispiel zu nennen. Der Bericht nimmt jedenfalls auch auf die aktuellen Debatten Bezug und will sich ausdrücklich dem Urteil des Publikums stellen (eine Zwischenüberschrift lautet: "Unser Angebot: WIR dokumentieren. SIE urteilen.").

Und natürlich fallen auch bei einer ersten Durchsicht schon ein paar Punkte auf, an denen die Glaubwürdigkeit des Berichts strapaziert wird; etwa wenn (auf Seite 41) die "Gesundheitsbeiträge" im Magazin Herbstzeit bzw Winterzeit hervorgehoben werden (siehe dazu zB hier; Stichwort: "PR wie geschmiert"). Und eher unfreiwillig komisch wirkt es, wenn ausgerechnet Wolfgang Lorenz (ja, der!) schreibt:
"Besser miteinander leben zu können, zivilisierter miteinander umzugehen, und respektvoll miteinander zu reden: Wenn der ORF dazu nicht verleiten und verführen wollte, verachtete er sein Publikum und sich selbst. "
Aber kann man ganz sicher sein, dass Lorenz mit den Wortformen "wollte" und "verachtete" wirklich den Konjunktiv verwenden wollte und nicht bloß die Mitvergangenheit?

PS: Es soll auch (so Seite 171 des Berichts) einen gesonderten Public Value Bericht der Landesstudios geben, der aber jedenfalls derzeit auf der ORF-Website nicht zu finden ist. Und auf Seite 237 des Berichts wird stolz vermeldet, dass der Geschäftsbericht 2007 "wieder einen detaillierten Einblick in das vergangene Geschäftsjahr" bietet. Allerdings ist auch dieser Bericht auf der Website des ORF unauffindbar.
Update 11.12.2008: auf Anfrage wurde mir von der Pressestelle des ORF bestätigt, dass es diese beiden Berichte (Landesstudios und Geschäftsbericht) geben wird, dass sie aber derzeit noch nicht verfügbar sind und auch noch nicht genau gesagt werden kann, wann sie auf der Website abrufbar sein werden.

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"Yes we can?" Bell v. Linkline vor dem US Supreme Court

Fälle von angeblichem oder tatsächlichem "price squeeze" oder "margin squeeze" (bzw. nach der Firmenfarbe eines bestimmten, einschlägig aufgefallenen Unternehmens auch "magenta squeeze") beschäftigen Regulierungsbehörden (zB hier), Wettbewerbsbehörden (zB hier) und Gerichte (zB hier). "Simply expressed," schreiben Geradin und O'Donoghue (in ihrem lesenwerten Aufsatz zur parallelen Anwendung von Wettbewerbsrecht und Regulierung in margin-squeeze-Fällen im Telekombereich), "a margin squeeze amounts to a reduction by a dominant operator of the margin between wholesale and retail prices so as to make entry difficult or to encourage exit."

Vor dem US Supreme Court wurde gestern über einen Price-Squeeze Fall - in der Sache Pacific Bell v. Linkline - verhandelt (das Transkript ist hier); mehr dazu in meinem Beitrag auf content and carrier. Rechtlich geht es im Kern um eine Abgrenzungsfrage zwischen Wettbewerbs- und sektorspezifischem Recht, die aus europäischer Sicht wegen der deutlich anderen Rechtslage mit klarer Verpflichtung zur parallelen Anwendung nicht besonders spannend ist; für Wettbewerbsrechtler ist die vor dem US Supreme Court geführte Diskussion über die bekannten Fälle Alcoa, Brooke Group und Verizon v. Trinko aber durchaus interessant.
Hier zwei kurze Ausschnitte aus der Verhandlung - einmal das Echo von Obama's Wahlslogan:
"MR. BLECHER: I think -
JUSTICE BREYER: Is that a possible thing to say?
MR. BLECHER: And -
JUSTICE BREYER: Yes or no, please.
MR. BLECHER: It avoids the need to -
JUSTICE BREYER: Is it, yes, we could do that, or no -
MR. BLECHER: Yes.
JUSTICE BREYER: Yes we can?
MR. BLECHER: Yes, you can. That’s what we’re suggesting.”
Und hier eine Passage, in der sich Justice Breyer über die Europäische Kommission lustig macht:

"JUSTICE BREYER: I'm quite surprised that Vickers has written that under the circumstances I have outlined that there is a valid price squeeze antitrust claim or that the British Commission [er meint offenbar die Competition Commission] has held that. I would be very interested to know the citation of that. Because he may have done. I don't read everything.
MR. BRUNELL: The European commission --
JUSTICE BREYER: I'm not saying the European Commission. They have done all kinds of things. I am saying the -- the --
(Laughter.)
JUSTICE BREYER: I am saying the British Monopolies or Restricted Practices Commission of which Vickers was the head."

[Eine Monopolies or Restricted Practices Commission gab es übrigens im UK nicht, nur eine Monopolies and Merger Commission, die seit 1999 Competititon Commission heißt; John Vickers, ehemals Chef des Office of Fair Trading, war auch nie Vorsitzender der MMC bzw. Competition Commission]

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Monday, December 08, 2008

Gimme Three Steps: NDR beginnt mit 3-Stufen-Test

"Three Steps To Heaven" werden es wohl nicht werden, vielleicht geht es auch eher um jene "three steps towards the door", von denen Lynyrd Skynyrd singen ("Gimme Three Steps"), und die man als drei Schritte Vorsprung (auf der Flucht) übersetzen muss: jedenfalls beginnt der NDR nun für seine geplante Mediathek mit dem ersten "Drei-Stufen-Test" (Presseaussendung, Kurz-Info, Projektbeschreibung). Medienökonomen, die die Bewertung durchführen möchten, können ihr Interesse bis 8. Dezember anmelden (also schnell melden! Andererseits: es würde mich nicht überraschen, wenn der NDR hier oder in diesem Umfeld [zB hier] fündig würde).
EU-Medienkommissarin Viviane Reding ist zwar skeptisch, ob ein vom Rundfunkrat durchgeführter Drei-Stufen-Test ausreichen wird (dazu schon hier), schließt es aber nicht von vornherein aus; sie hält es offenbar mehr mit Police: Every step you take, I'll be watching you.

Der ORF kündigt zunächst einmal einen Public Value Bericht an (das mit dem für Jänner 2008 angekündigten Public Value Test ist sich offenbar nicht ganz ausgegangen), immerhin ein erster Schritt. Und nur als PS: ein Geschäftsbericht des ORF für das Jahr 2007 ist noch immer nicht verfügbar (aber vielleicht ist er dem Sparpaket zum Opfer gefallen).

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Sunday, December 07, 2008

Vermischtes: Struve, TW1, saarländischer medienpolitischer Stammtisch und Reding

Ein paar nur lose zusammenhängende Anmerkungen, die sich im Lauf der Tage so angesammelt haben:

1. Rettet Struve den ORF?
In der Bestellung von Günter Struve zum Sachverständigen für das Qualitätssicherungssystem des ORF (dazu schon hier und hier) vermag wohl nur die Frankfurter Rundschau einen "Schachzug" zu erkennen, dessen "strategische Güte" (!) dem ORF-Generaldirektor aber "womöglich gar nicht bewusst war" (mir ist sie noch immer nicht bewusst). Ex-WDR-Intendant (und derzeit EBU-Präsident) Fritz Pleitgen sagte etwa zeitgleich über Struve: "Er war ein starker Programmdirektor, oft der Gegenpol meiner öffentlich-rechtlichen Vorstellungen." (Quelle: epd-medien). Dass aber Struve gar "den ORF retten" soll, wie dies auf Meedia zu lesen ist, scheint doch ein wenig weit hergeholt. Andererseits: hätte der ORF den genauen Auftrag und Zeitplan für die Arbeit von Herrn Struve bekannt gegeben, würde es wohl nicht zu solchen Gerüchten kommen. Ich persönlich würde dem ORF jedenfalls nicht wünschen, dass ausgerechnet an "Struves Expertise ... nun die Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Senders" hängt, wie Meedia meint.

2. TW1 einstellen, ausbauen oder weiter so gesetzestreu wie bisher betreiben?
Falls Struve aber doch als "ORF-Notretter" tätig werden will, könnte er einmal auf den dafür erstellten Merkzettel mit zehn Spar- und Reformvorschlägen von Walter Gröbchen schauen; gleich in Punkt 1 sagt er zu TW1: "bislang hat mir kein Mensch erklären können, wofür man eisern eine Frequenz mit einem Trash-, Randsport- und Nebelwetter-Sammelsurium besetzt hält". Andreas Khol, einer treuesten Freunde von TW1, möchte dennoch gerade dieses Programm aus- und umbauen; dem von Khol geleiteten Seniorenkongress am 28. Oktober 2008 lag daher auch ein Papier mit Beiträgen aus der sogenannten "Denkwerkstatt" vor, das sich auch mit TW1 befasste. Auch der ORF sei schon kontaktiert worden, aber er argumentiere, dass es für eine Änderung in Richtung Kulturkanal einen Gesetzesauftrag brauche. Offenbar durchaus ernstgemeint heißt es dann: "Das ORF-Gesetz lässt gegenwärtig TW1 nur mit jenen Inhalten zu, wie sie derzeit gesendet werden." Dazu schreibe ich jetzt besser gar nichts mehr. Nein, wirklich nicht.

3. Saarländische Lobbyisten und kein Geschäft im Internet
Fritz Raff, Intendant des Saarländischen Rundfunks und derzeit Vorsitzender der ARD, trat kürzlich in Brüssel auf, passender Weise anlässlich der Eröffnung eines Anwaltsbüros, das von seinem "alten Freund Reinhold Kopp" geleitet werden soll, der früher Chef der saarländischen Staatskanzlei und Wirtschaftsminister (Stichwort: staatsferner Rundfunk) und zuletzt einige Jahre VW-Lobbyist in Brüssel war. In seinem Vortrag regt sich Raff zunächst über den Entwurf der neuen Rundfunkmitteilung der Kommission (Details dazu hier) auf (wie übrigens auch die Bundesländer), lobt erwartungsgemäß den deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk und kommt dann ebenso erwartungsgemäß auf das Internet zu sprechen. Zitat:
"Natürlich ist das Internet auch ein großer Markt. Es wird geworben und verkauft. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist aber keine wirtschaftliche Konkurrenz, denn das Internet als Plattform für Geschäfte interessiert ihn nicht."
(Betonung hinzugefügt; in Österreich dürfte das etwas anders ausschauen)
4. Saarländischer Mythos, Redings Retourkutsche
Das Saarland, für das Fritz Raff spricht, wurde von EU-Kommissarin Viviane Reding in einer Rede am 10. November 2008 als "Epizentrum" eines Mythos "vom medienpolitischen Stammtisch" ausgemacht. Der Mythos laute: „Brüssel will die Rundfunkräte von ARD und ZDF abschaffen und durch neue Bürokratien ersetzen.“ Und noch bevor man lange nachdenken kann, ob das nicht vielleicht sogar eine Verbesserung sein könnte, fährt Reding - teilweise durchaus mit Ironie - fort (in eckiger Klammer habe ich eingefügt, was Reding sich dabei gedacht haben könnte):
Meine Damen und Herren, ich kenne viele Rundfunkräte von ARD und ZDF seit Jahren persönlich aus meiner Arbeit [Reding hätte auch "schätze" statt "kenne" sagen können; so heißt es bloß: die waren ziemlich lästig und wollten andauernd Termine mit mir]. Es handelt sich dabei regelmäßig [= nicht immer] um engagierte [= nicht zwingend kompetente] Einzelpersonen [= ziemlich unorganisiert bzw. uneinheitlich], die sich ehrenamtlich und nebenberuflich [=Amateure!] für Medienvielfalt und für die Zukunftsfähigkeit von ARD und ZDF einsetzen [sie setzen sich dafür ein, aber sie können es nicht unbedingt sicherstellen]. Es gibt meines Wissens niemand in Brüssel, der diese Rundfunkräte ersetzen möchte, zumal [=weil] mehrere von ihnen als hauptberufliche Mitglieder des Europäischen Parlaments regelmäßig die als Rundfunkräte erworbenen Kenntnisse [= also nicht besonders viel, denn es sind ja Amateure] aktiv in die europäische medienpolitische Debatte einbringen [= lästige Besserwisser].
In der Folge wünscht sich Reding zwar, dass die „Public Value“-Prüfung von unabhängigen und sachkundigen Schiedsrichtern durchgeführt wird und nicht von ARD/ZDF selbst. Aber sie schließt dann auch "nicht von vornherein" aus, dass die Rundfunkräte in der Lage sein könnten, dies auch selbst zu leisten: "Wenn Deutschland also den Sonderweg einer 'Public Value'-Prüfung durch die Rundfunkräte von ARD und ZDF wählt, dann müssen diese Rundfunkräte in ihrer persönlichen Unabhängigkeit gegenüber ARD und ZDF und auch in ihrer sachlichen und finanziellen Ausstattung erheblich gestärkt werden."

5. Nicht vergessen: brav über Europa berichten!
Interessant sind Redings Ausführungen (in der selben Rede) aber auch, wenn sie den medienpolitischen Umgang mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten durchaus mit inhaltlichen Fragen der Berichterstattung in Zusammenhang bringt. So lobt sie ARD und ZDF, die den Weg bestritten hätten, "durch Sendungen wie 'Bericht aus Brüssel', 'Jetzt red i Europa', 'Heute Europa' sowie die regelmäßige kompetente Berichterstattung aus der Straßburgwoche ihren öffentlichen Mehrwert auch auf europäischer Ebene sehr deutlich zu demonstrieren. ... Ich kann Ihnen versichern, dass dies bei europäischen Medienpolitikern in Parlament und Kommission seinen Eindruck nicht verfehlt hat". Das klingt fast ein wenig wie: wenn ihr brav über Europa berichtet, dann behandeln wir euch auch regulatorisch besser.

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Friday, December 05, 2008

"Interaktives Unterhaltungsformat" aka Call-In-TV: regulatory capture in Bayern

Einfache, leicht nachvollziehbare Beispiele für regulatory capture kann man immer brauchen, wenn man sich mit Fragen der Wirtschaftsregulierung befasst. In diesem Sinne herzlichen Dank an Simon Möller und Christiane Müller von Telemedicus, die sich mit einer Programmbeschwerde betreffend diverse Call-In-Shows der Sender Kabel Eins, Viva und DSF an die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) gewandt und die Antwort der BLM veröffentlicht haben.

Die BLM, die immerhin (knapp) innerhalb Jahresfrist antwortete, ist der Ansicht, die Call-In-Formate seien weder Werbung noch Teleshopping, sondern "ein interaktives Unterhaltungsformat". Diese Möglichkeit habe, so die BLM, auch der EuGH unter Rn. 38 des Urteils in der Rechtssache C-195/06 KommAustria / ORF explizit angesprochen. Stimmt natürlich - aber wörtlich sagte der EuGH dort Folgendes:
"Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass der Fernsehveranstalter angesichts des Ziels der Sendung, in der das Spiel stattfindet, nur eine interaktive Gestaltung im Sinn hatte, dass er aber kein tatsächliches Dienstleistungsangebot im Bereich von Geldspielen abgeben wollte; dies gilt insbesondere, wenn das Spiel inhaltlich und zeitlich nur einen sehr kleinen Teil der Unterhaltungssendung ausmacht und aus diesem Grund nicht deren Charakter ..." (Betonung hinzugefügt)
Meines Erachtens lässt sich mit der Feststellung "Es sind interaktive Programmformate" (so die BLM nochmals gegen Ende des bei Telemedicus veröffentlichten Schreibens) nichts belegen, denn auch der Verkauf von Heizdecken via TV kann als interaktives Format ausgestaltet sein.

Die BLM zieht es jedenfalls vor, die in der Programmbeschwerde aufgezeigten Handlungsmöglichkeiten nicht zu nutzen und stattdessen zunächst einmal weiter zu beobachten (vielleicht könnte man auch zwischendurch wieder einmal beklagen, dass man nichts tun kann?) und zuzuwarten, bis das - durch den 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrag ermöglichte - bürokratische Ungetüm der sogenannten "Gewinnspielsatzung" voraussichtlich irgendwann im Frühjahr 2009 in Kraft tritt. Eine Win-Win-Situation sozusagen für Sender, Freistaat und BLM:
  • die Sender können zunächst praktisch weitermachen wie bisher, die Blütezeit des Formats scheint ohnehin vorbei zu sein; ab In-Kraft-Treten der Satzung halten sie sich eben an die Regeln, die ihnen zwar ein wenig, aber nicht zu viel weh tun, und die vor allem sicherstellen, dass es weiterhin Call-In-TV geben kann (irgendwie erinnert mich das Ganze an eine Geschichte von Günter Bruno Fuchs mit dem Titel "Ein Erlaß über die Ausübung des Diebstahls in ferner Zeit"),
  • der Freistaat Bayern braucht sich nicht zu sorgen, dass die in Bayern niedergelassenen Call-In-Sender sich einen "regulatorisch liberaleren" Standort (in NRW? in Luxemburg?) suchen (im Gegenteil, Unterföhring entwickelt ja zuletzt eine gewisse Anziehungskraft),
  • und die - stets staatsferne - BLM schließlich kann die Gewinnspielsatzung dann auslegen und ihre Einhaltung kontrollieren, womit sie eine Zeit lang wieder ganz gut beschäftigt sein wird.
Außerhalb der Win-Win-Situation bleiben, wie in Fällen von regulatory capture üblich, die öffentlichen Interessen, hier an einem wirksamen Vollzug der Vorgaben der Fernseh- bzw. Mediendienste-RL. Die Gewinnspielsatzung (ich werde sie in memoriam G.B. Fuchs in Hinkunft als "Erlass über die Ausübung des Call-In-TVs" bezeichnen) aber hat ihr implizites Ziel erreicht: den Erhalt der Call-In-Sender zu sichern.

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Der ORF will keine Finanzspritze und keine Subvention - bloß 57 Mio € aus dem Bundesbudget

Die sogenannte "Refundierung der Gebührenbefreiung" ist ein wiederkehrendes Thema im Zusammenhang mit der aktuellen wirtschaftlichen Situation des ORF. Im Regierungsprogramm, das habe ich schon in meiner kleinen Übersicht dargestellt, wurde dem Wunsch des ORF auf diese "Refundierung" nicht Rechnung getragen. Dass es "keine Finanzspritze für den ORF" geben werde (jedenfalls vorerst), geht auch aus einem Interview mit dem neuen Medienstaatssekretär Josef Ostermayer (in der Tageszeitung Österreich) hervor. "Österreich" war es eine Vorausmeldung wert, und der ORF reagierte umgehend mit einer eigenen Aussendung. "ORF-Marketing und Kommunikation" (Chef: Pius Strobl, der offenbar demnächst noch weitere Aufgaben übernehmen soll) lässt uns also Folgendes wissen (wörtlich!):
ORF verlangt Fairness, keine "Finanzspritze"

Der ORF hat zu keiner Zeit eine "Finanzspritze" verlangt, er verlangt keine "Finanzspritze" und er benötigt auch keine "Finanzspritze". Der ORF ist ein wirtschaftlich gesundes Unternehmen, das sich nicht um staatliche Subventionierung bemüht, sondern lediglich die ihm zustehende Refundierung der gesetzlich verordneten Gebührenbefreiungen einfordert.
Die aus sozialpolitischen Gründen sehr wichtige Befreiung von den Rundfunkgebühren wurde vom Gesetzgeber beim ORF bestellt, der daraus entstehende Einnahmenverlust wird dem Unternehmen allerdings unfairerweise nicht ersetzt.
Nur gegen diese Ungleichbehandlung wehrt sich der ORF im Sinne der Gesamtheit der österreichischen Gebührenzahlerinnen und Gebührenzahler.
Strobl kann zwar bei anderen recht penibel sein, an die eigenen Aussendungen legt er aber offenbar keine so strengen Maßstäbe an. Immerhin bietet diese Aussendung Gelegenheit, kurz die rechtlichen Hintergründe der sogenannten "Refundierung der Gebührenbefreiung" darzulegen.

1. Seit Jahrzehnten gibt es das Programmentgelt, die Rundfunkgebühren und die "Gebührenbefreiung": § 20 Abs 3 des Rundfunkgesetzes legte schon zwischen 1984 und Ende 1999 fest, dass der ORF selbst die Höhe des Programmentgelts bestimmt, während Beginn und Ende der Zahlungspflicht sowie die Befreiung davon vom Bundesgesetzgeber entsprechend der Regelung bei den Rundfunkgebühren bestimmt wird. Das heißt: wer (insbesondere aus sozialen Gründen) kein Programmentgelt zu zahlen hat, wurde und wird vom Bundesgesetzgeber festgelegt. Dem ORF steht von den "gebührenbefreiten Rundfunkteilnehmern" kein Programmentgelt zu.

2. Im Jahr 1999, kurz vor den Wahlen, kam es im Nationalrat zu einem Initiativantrag; der Text dazu wurde vom ORF vorbereitet (siehe die Debatte hier; Abg. Schieder [der Ältere] sagte dazu: "Das ist ein Vorschlag. Der Gesetzgeber ist ja nicht verpflichtet, den Vorschlag irgendeiner Gruppe in Betracht zu ziehen oder ihn gleichermaßen zu behandeln wie eine Regierungsvorlage." - er tat es aber). Der in diesem Text enthaltene "Vorschlag", dem ORF den aus den "Gebührenbefreiungen" entstehenden Entfall des Programmentgelts vom Bund abzugelten (stufenweise ab 2001), wurde in den Erläuterungen nicht einmal erwähnt; beschlossen wurde er dennoch. Festzuhalten ist, dass es in diesem Zusammenhang zu keinen Änderungen bei den bisherigen Befreiungstatbeständen kam - es ging also gerade nicht darum, zusätzlich hinzugekommene Befreiungsfälle abzudecken.

3. Ein Jahr später, als der Gesetz gewordene "Vorschlag" budgetwirksam zu werden drohte, wurde im Budgetbegleitgesetz 2001 die geplante "Refundierung" wieder gestrichen - als eine von zahlreichen Maßnahmen, die laut Parlamentskorrespondenz "den Weg Richtung Nulldefizit ebnen" sollten. Eine "Refundierung" hat daher - auch wenn sie ein Jahr lang im Rundfunkgesetz verheißen wurde - daher faktisch nie stattgefunden.

4. Natürlich wäre die "Refundierung der Gebührenbefreiung" eine "Finanzspritze" oder "Subvention" (und, rechtlich betrachtet, eine staatliche Beihilfe, die - da sie neu wäre - zumindest auch der Europäischen Kommission notifiziert werden müsste). Dass dem ORF die Refundierung zustehe, wie dies in der Aussendung behauptet wird, kann man nur als gewissermaßen moralisches Werturteil stehen lassen; einen Rechtsanspruch gibt es jedenfalls nicht. Dass der ORF eine solche Subvention, die laut GD Wrabetz immerhin 57 Mio Euro ausmachen würde, einfach als ihm zustehend "einfordert", zeugt von gesundem Selbstbewusstsein (aber schließlich ist der ORF ja auch keine "Pimperlbank")

5. Vollends kraus wird die ORF-Aussendung, wenn darin behauptet wird, die Befreiung von den Rundfunkgebühren (gemeint: Programmentgelten) sei "vom Gesetzgeber beim ORF bestellt" worden. Vielleicht verwechselt Strobl den ORF mit den Eisenbahnen, bei denen der Bund gemeinwirtschaftliche Leistungen bestellt; beim ORF hingegen gibt der Bund dem ORF gesetzlich die Möglichkeit, ein Programmentgelt (in der vom ORF festgesetzten Höhe!) einzuheben - und der Bund legt auch fest, von welchem Personenkreis dieses Entgelt eingehoben werden kann.
Der implizite Vergleich mit der Eisenbahn hinkt: die Eisenbahnen sind privatrechtlich organisierte Unternehmen, die marktwirtschaftlich Leistungen anbieten; will der Bund (oder eine andere Gebietskörperschaft) weitere Leistungen, dann sind diese zu bestellen und zu bezahlen. Der ORF, eine öffentlich-rechtliche Stiftung, hat die gesetzlich festgelegten Aufträge zu erfüllen, und er kann genau dafür - zusätzlich zu Werbeeinnahmen - ein Programmentgelt einheben; schon dieses Programmentgelt ist - wenn man einem Eisenbahnvergleich nahetreten will - das Entgelt für die "bestellte Leistung". Ähnliches gilt für den Vergleich mit den Telekom-"Gebührenbefreiungen": hier "bestellt" der Bund Leistungen (für die "Gebührenbefreiten"), und ersetzt den Unternehmen die Kosten. Beim ORF "bestellt" der Bund die Leistung "öffentlich-rechtlicher Auftrag" und ersetzt dem ORF die Kosten (indirekt) im Wege des Programmentgelts. Wo die "Ungleichbehandlung" liegt, müsste daher erst einmal erklärt werden.

PS: Natürlich kann sich der ORF 57 Mio € aus dem Budget wünschen; die obigen Ausführungen sind auch nicht als inhaltliche Bewertung dieses Wunsches in die eine oder andere Richtung gedacht. Bloß: wenn man Subventionen will, soll man es nicht zugleich leugnen.

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Thursday, December 04, 2008

EGMR: Vorratsdatenspeicherung zum Schutz der Privatsphäre?

In der Regel gehen die Argumente in die andere Richtung: "Vorratsdatenspeicherung verletzt die Privatsphäre" heißt es etwa beim "AK Vorrat". Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat jedoch nun in seinem Urteil K.U. gegen Finnland sozusagen den Spieß umgedreht: gerade der Schutz der Privatsphäre kann es zwingend erforderlich machen, dass der Nutzer einer dynamischen IP-Adresse, der im Schutze der (vermeintlichen) Anonymität verleumderische Aussagen macht, ausgeforscht werden kann.

Der konkrete Anlassfall war freilich durchaus gravierend: ein Unbekannter hatte (1999) auf einer Dating-Seite ein Online-Inserat im Namen eines damals Zwölfjährigen aufgegeben, mit dem Wunsch nach einer intimen Beziehung zu einem gleich alten oder älteren Buben; das Inserat enthielt das Geburtsdatum und eine detaillierte Beschreibung des Aussehens sowie einen Link zur Website des Betroffenen, die auch ein Foto und Kontaktinformationen zeigte. Der Betroffene wurde auf diese Anzeige aufmerksam, als er daraufhin von einem Mann per E-Mail kontaktiert wurde.

Der EGMR hielt fest, dass das in Art 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerte Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens effektive Schritte erfordert, um einen Verletzer (der im konkreten Fall das falsche Online-Inserat aufgegeben hatte) identifizieren und verfolgen zu können. Im konkreten Fall war keine effektive Verfolgung möglich, da sich der Service Provider auf Vertraulichkeit berufen konnte. Wörtlich heißt es im Urteil (Nr. 49):
"Although freedom of expression and confidentiality of communications are primary considerations and users of telecommunications and Internet services must have a guarantee that their own privacy and freedom of expression will be respected, such guarantee cannot be absolute and must yield on occasion to other legitimate imperatives, such as the prevention of disorder or crime or the protection of the rights and freedoms of others. Without prejudice to the question whether the conduct of the person who placed the offending advertisement on the Internet can attract the protection of Articles 8 and 10, having regard to its reprehensible nature, it is nonetheless the task of the legislator to provide the framework for reconciling the various claims which compete for protection in this context."
Ausdrücklich hielt der EGMR auch fest, dass in diesem Fall der Verweis auf bloße Schadenersatzansprüche gegen den "service provider" (damit dürfte hier eher der Betreiber der Dating-Plattform als der ISP gemeint sein) nicht ausreicht, um die Rechte des Betroffenen nach Art 8 EMRK zu schützen. Die bloße Statuierung eines strafrechtlich zu ahndenden Delikts (nach finnischem Recht war das im konkreten Fall Verleumdung [calumny], der EGMR betont aber in diesem Zusammenhang ausdrücklich, dass es im konkreten Fall um die phyische und moralische Integrität der Person geht) reicht nicht aus, um die positiven Schutzpflichten des Staates zu erfüllen - es muss auch die effektive Ausforschung und Verfolgung in der Praxis sichergestellt werden.

Die Frage, ob es dazu auch notwendig ist, die Speicherung angefallener Verbindungsdaten (und wenn ja, wie lange) vorzusehen, wird vom EGMR in der rechtlichen Beurteilung nicht berührt. Im konkreten Fall scheiterte die Verfolgung schon daran, dass der Service Provider die Daten (es handelte sich um dynamische IP-Adressen) nicht herausgeben musste; ob er sie überhaupt hatte (haben durfte), geht aus dem Urteil nicht hervor. Allerdings zitiert der EGMR im dritten Abschnitt des Urteils (unter "Relevant International Materials") nicht nur die Convention on Cybercrime (mit dem besonderen Hinweis, dass nach Art 18 dieser Konvention die Herausgabe der "Teilnehmer-Information" verlangt werden kann), sondern auch die RL über die Vorratsspeicherung von Daten, und zwar konkret die Verpflichtung nach Art 5, dass Name und Anschrift des Teilnehmers oder Benutzers, dem eine IP-Adresse zum Zeitpunkt der Nachricht zugewiesen war, auf Vorrat gespeichert werden müssen.

In der rechtlichen Beurteilung nimmt der EGMR auf diese internationalen Materialien allerdings nur sehr indirekt Bezug, indem er darlegt, dass er "any evolving convergence as to the standards zu be achieved" zu berücksichtigen hat. Daraus kann man wohl ableiten, dass der EGMR auch die RL zur Vorratsspeicherung von Daten als eine Art gemeinsamen Standard der Mitgliedstaaten ansieht (und damit indirekt wohl auch, dass ein Delikt wie das im konkreten Fall zu beurteilende jedenfalls als schwere Straftat im Sinne dieser RL zu beurteilen wäre).

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Tuesday, December 02, 2008

krone.tv, empfohlen vom ORF-GD: "Das musst du gesehen haben!"

Der ORF-Generaldirektor macht Werbung für die Konkurrenz: "krone.tv. Das musst du gesehen haben!" sagt er in die krone.tv-Kamera (zu sehen gleich am Beginn und auch am Ende dieses Videos), und er hat natürlich recht: das offenbar am 28. November 2008 (nähere Informationen fehlen bei krone.tv) von Nadia Weiss mit Wrabetz geführte Interview sollte man wirklich gesehen haben. Fast zehn Minuten lang erzählt der Generaldirektor ein wenig über die geplanten Sparmaßnahmen und streift auch die Medienpolitik ("In der Politik sind jetzt einige weg, die doch ... sag ich jetz einmal, wie sag ich das ... keine besondere Freundschaft zum ORF hatten." [ca. bei 1:35]; später nennt er in diesem Zusammenhang Franz Morak, den früheren Medienstaatssekretär und ÖVP-Mediensprecher [sowie Blogger]).

Aus rundfunk(organisations)rechtlicher Sicht interessant ist das Verständnis des Generaldirektors von der ORF-Geschäftsführung; dazu zunächst ein Auszug aus dem Interview:
Weiss: Überlegen Sie sich da auch personelle Veränderungen?
Wrabetz: Die Geschäftsführung ist jetzt einmal bis 2011 gewählt und daher stell ich keine öffentlichen Spekulationen über die Geschäftsführung an.
Weiss: Aber es wäre ja in ihrer Hand, es wäre ja dann keine Spekulation?
Wrabetz: Ja, aber wir müssen jetzt als Geschäftsführung zusammenhalten und dieses schwierige Sparprogramm bewältigen, das stellt alle an [sic] ganz große Herausforderungen, da ist ein großes Umdenken im Haus auch notwendig.
Wer ist aber "die Geschäftsführung" des ORF, die da bis 2011 "gewählt" (besser: bestellt) ist und nun zusammenhalten muss? Nach § 19 Abs 1 ORF-Gesetz sind die Organe des ORF der Stiftungsrat, der Generaldirektor, der Publikumsrat und die Prüfungskommission. Nach § 23 Abs 1 ORF-G besorgt der Generaldirektor die Führung der Geschäfte des ORF. Die auf seinen Vorschlag hin bestellten Direktoren und Landesdirektoren unterliegen seinen Weisungen und haben ansonsten "im Rahmen der langfristigen Pläne für Programm, Technik und Finanzen, der Stellenpläne sowie der Jahressendeschemen die laufenden Geschäfte ihres Bereiches selbständig zu führen." (§ 25 ORF-G)

Die Geschäftsführung des ORF ist also Sache des Generaldirektors, ein Kollegialorgan "Geschäftsführung" besteht im ORF nicht. Zusammenhalten wird also vor allem einmal der Generaldirektor mit sich selbst müssen, wenn er die Sparpläne umsetzt. Dieses Verständnis einer Alleingeschäftsführung des ORF liegt zutreffend auch dem Jahresabschluss zugrunde, in dem ja nach den Rechnungslegungsvorschriften auch die an die "Mitglieder des Vorstands, des Aufsichtsrats oder ähnlicher Einrichtungen" entrichteten Bezüge auszuweisen sind - dies kann aber nach § 241 Abs 4 UGB unterbleiben, wenn weniger als drei Personen betroffen sind; von dieser Möglichkeit (es ist keine Verpflichtung!) hat der ORF Gebrauch gemacht und die Bezüge der "Geschäftsführung" nicht ausgewiesen.

PS: Im Konzernabschluss allerdings werden Geschäftsführungsbezüge in der Höhe von rund € 2,1 Mio für das Jahr 2007 ausgewiesen - wer hier zur "Geschäftsführung" des ORF-Konzerns gezählt wird, geht aus dem in der Wiener Zeitung veröffentlichten Abschluss nicht hervor, aber vielleicht wurden hier neben dem Generaldirektor doch die Direktoren einbezogen, was unter Zugrundelegung der von Harald Fidler in seinem neuen Buch angegebenen Richtwerte für die Bezüge halbwegs plausibel wäre. Ganz konsistent scheinen mir da ORF- und ORF-Konzernabschluss nicht.

PPS (Ergänzung 3.12.2008): Der Rechnungshof-Bericht über die durchschnittlichen Einkommen in den Jahren 2005 und 2006 weist für "Vorstand bzw. Geschäftsführung" des ORF 16 Personen aus, mit einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von € 253.500. Die Zahl 16 weist darauf hin, dass hier wohl Generaldirektor, 6 Direktoren und 9 Landesdirektoren berücksichtigt wurden. Da die Landesdirektoren (laut Harald Fidler, Österreichs Medienwelt von A bis Z, S. 429) bei € 160.000 bis € 190.000 liegen, deutet dies darauf hin, dass nicht nur der Bezug des Generaldirektors, sondern auch jener der 6 Direktoren über dem des Bundeskanzlers liegt (dieser bezog im Jahr 2006 € 273.600). Jedenfalls insofern scheint das Vorbild BBC erreicht: dort beziehen zehn Manager ein höheres Einkommen als der Premier (Details hier).

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