Wenn ein "joint statement" verkündet wird, dann kann man ziemlich sicher sein, dass die inhaltlichen Gemeinsamkeiten nicht allzu weit gehen (der erste Treffer zu
"joint statement" bei Google führt heute zB zu einer
gemeinsamen Erklärung nach den Sechs-Parteien-Gesprächen zu Nordkoreas Atomprogramm).
Ein Lehrbuchbeispiel dafür ist auch das
"Joint Statement" der European Regulators Group (ERG) mit Kommissarin Reding, für dessen Verkündung sogar das sonst auf der ERG-Website offenbar bestehende Bilderverbot aufgehoben wurde (wer schon immer einmal sehen wollte, wie Roberto Viola und Viviane Reding vor einer Europa-Fahne gemeinsam ein Dokument festhalten, wird
hier bedient).
Nicht dass es eigentlich Aufgabe der ERG wäre, als Verhandlungspartner der Kommission aufzutreten und mit dieser etwas zu vereinbaren (nach den maßgeblichen Rechtsvorschriften [Beschlüsse
2002/627/EG und
2004/641/EG] soll die ERG die Kommission beraten und unterstützen) - aber im "joint statement" nennt man immerhin zwei Punkte, auf die sich die ERG und Komission geeinigt haben: einerseits auf die Veröffentlichung des zwischen Ihnen geführten
Briefwechsels, und andererseits darauf, weitere Überlegungen anzustellen:
"We have agreed today to consider with an open mind all means of improving the current system of cooperation between the Commission and the ERG, and of strengthening the ERG as an efficient integrated system of independent regulators."Wie beim Begriff "joint statement" gilt auch hier eine alte Weisheit: wenn man Selbstverständlichkeiten betonen muss, dann sind sie nicht selbstverständlich. Wer vereinbart, in Zukunft "with an open mind" handeln zu wollen, impliziert damit, dass bisher Engstirnigkeit vorgeherrscht habe.
Aber worum geht es abseits des etwas merkwürdigen pseudo-diplomatischen Notenwechsels wirklich?
Die Kommission will nicht nur bei Marktdefinition und Marktanalyse, sondern auch bei den "remedies" - den "spezifischen Verpflichtungen" - ein Vetorecht bei Entscheidungen der nationalen Regulierungsbehörden (das hat sie schon in Punkt 5.3.1 der
Mitteilung zum Review angekündigt), und sie will nun den Regulierungsbehörden auch einen Zeitrahmen für die Durchführung einer Marktanalyse oder der Auferlegung von remedies vorgeben können (das geht aus dem nun veröffentlichten
Schreiben Redings vom 30. November 2006 an die ERG hervor). Beide Vorschläge stoßen - wenig überraschend - bei der ERG nicht auf ungeteilte Zustimmung.
Vor diesem Hintergrund hat Reding auch zwischendurch das Gespenst einer Europäsichen Regulierungsbehörde, eines "Netzes Europäischer Regulierungsbehörden" (nach dem Muster des Zentralbanksystems) oder verschiedener anderer Modelle ventiliert, unter anderem auch einer
"ERG with teeth". In jedem Fall scheint das derzeitige auf Konsens aufgebaute Modell der ERG nicht haltbar (
Reding says majority vote for telecoms regulators 'non-negotiable').
Die von der ERG dazu eingenommene Position ist im ebenfalls neu veröffentlichten
Schreiben vom 27. Februar 2007 (mit Anhängen
1 und
2) enthalten. Zusammenfassen lässt sich die Antwort dahin, dass die ERG
- erstens ab sofort wichtiger genommen werden will (siehe auch hier), dass
- zweitens bis zur Umsetzung des zukünftigen Rechtsrahmens die derzeit bestehenden Probleme mit inkonsistenter Regulierung ohnehin nicht mehr von Bedeutung sein werden, und dass somit
- drittens eigentlich alles beim Alten bleiben kann.
Natürlich ist dies im Schreiben der ERG diplomatischer formuliert
("ERG believes that the current Framework is fundamentally sound. ... ERG believes it is necessary to continue to encourage actively the positive trends ..." etc.).
Tatsächlich spricht einiges gegen ein Konzept einer "ERG with teeth", in der - wie von Reding zur Diskussion gestellt - einem Gremium aus Vertretern von 27 Regulierungsbehörden die Aufgabe zukommen sollte, über Maßnahmen nationaler Regulierungsbehörden bei Marktdefinition, Marktananlyse und der Auferlegung von remedies zu entscheiden.
Aus spezifisch österreichischer Sicht würde sich auch die Frage stellen, weshalb gerade der Geschäftsführer der RTR-GmbH, der Mitglied der ERG ist, über Martkanalysen oder Remedies mitentscheiden sollte, die auf nationaler Ebene gerade nicht von der RTR getroffen werden (dass aber die Identifikation der national zuständigen Regulierungsbehörden ein ständiges Problem gerade der ERG ist, zeigt sich auch in deren Dokumenten, wo geradezu im Regelfall die falschen Behörden benannt werden - zB im Bericht zum Markt 18, in dem konsequent mehr als vierzig Mal die falsche Behörde angegeben wird).Die Überlegung, die ERG mit mehr Kompetenzen auszustatten, scheint daher wohl kaum ein besonders zukunftsträchtiger Weg. Nach wie vor bin ich überzeugt davon, dass die Euro-Regulator- bzw "ERG with teeth"-Diskussion letztlich bloß die Stimmungslage für die Erweiterung des Veto-Rechts der Kommission aufbereiten soll: wenn sich alle schließlich über den Euro-Regulator oder die "ERG with teeth" aufregen, wird eine Einigung auf die "Rückzugsposition" des erweiterten Veto-Rechts wesentlich leichter fallen.
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