Wednesday, March 04, 2009

EuGH: ISP ist "Vermittler" im Sinne der Info-Richtlinie

Inhaber von Schutzrechten können nach der RL 2001/29 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft gegen Internet-Access-Provider, deren "Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt werden" (etwa beim P2P-Filesharing urheberrechtlich geschützter Werke), gerichtliche Anordnungen beantragen. Das hat der EuGH nun in seinem Beschluss vom 19. Februar 2009 in der Rechtssache C-557/07 LSG entschieden (in einem Beschluss - und nicht Urteil - deshalb, weil die Beantwortung der Vorlagefrage "keinen Raum für vernünftige Zweifel" gelassen habe); wörtlich heißt es:
"Ein Access-Provider, der den Nutzern nur den Zugang zum Internet verschafft, ohne weitere Dienste wie insbesondere E‑Mail, FTP oder File-Sharing anzubieten oder eine rechtliche oder faktische Kontrolle über den genutzten Dienst auszuüben, ist 'Vermittler' im Sinne des Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29."
Auch die zweite vorgelegte Frage war für den EuGH einfach, da er sich hier auf die am 29. Jänner 2008 entschiedene Rechtssache C-275/06 Promusicae (siehe dazu hier) stützen konnte. Dort war er zum Ergebnis gekommen, dass die Richtlinien 2000/31/EG (e-Commerce-RL), 2001/29/EG (Urheberrechte-Informationsgesellschaft-RL), 2004/48/EG ("enforcement"-RL) und 2002/58/EG (DatenschutzRL elektronische Kommunikation) den Mitgliedstaaten nicht gebieten, eine Pflicht der Telekommunikationsnetz-Betreiber zur Mitteilung personenbezogener Daten (IP-Adressen) an Urhebergesellschaften im Rahmen eines zivilrechtlichen Verfahrens vorzusehen.
Die Fragen des österreichischen Oberste Gerichtshofs (vorgelegt noch vor der Entscheidung in der Sache Promusicae, allerdings nach Vorliegen der dort erstatteten Schlussanträge und unter ausdrücklciher Bezugnahme darauf), zielten aber darauf ab, ob die genannten Richtlinien die Weitergabe nicht nur "nicht gebieten", sondern vielleicht sogar verbieten. Der EuGH sah auch diese Frage schon durch die Entscheidung Promusicae klargestellt, da er schon dort ausgesprochen hat, "dass die Richtlinie 2002/58, insbesondere ihr Art. 15 Abs. 1, es den Mitgliedstaaten nicht verwehrt, eine Pflicht zur Weitergabe personenbezogener Daten im Rahmen eines zivilrechtlichen Verfahrens vorzusehen, sie dazu aber auch nicht verpflichtet." Das Ergebnis für die (zweite) Frage des OGH daher:
"Das Gemeinschaftsrecht, insbesondere Art. 8 Abs. 3 der RL 2004/48/EG in Verbindung mit Art. 15 Abs. 1 der RL 2002/58/EG, hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, eine Verpflichtung zur Weitergabe personenbezogener Verkehrsdaten an private Dritte zum Zweck der zivilgerichtlichen Verfolgung von Urheberrechtsverstößen aufzustellen. Die Mitgliedstaaten sind aber gemeinschaftsrechtlich verpflichtet, darauf zu achten, dass ihrer Umsetzung der RL 2000/31/EG, 2001/29/EG, 2002/58 und 2004/48 eine Auslegung derselben zugrunde liegt, die es erlaubt, die verschiedenen beteiligten Grundrechte miteinander zum Ausgleich zu bringen. Außerdem müssen die Behörden und Gerichte der Mitgliedstaaten bei der Durchführung der Maßnahmen zur Umsetzung dieser Richtlinien nicht nur ihr nationales Recht im Einklang mit Letzteren auslegen, sondern auch darauf achten, dass sie sich nicht auf eine Auslegung dieser Richtlinien stützen, die mit den Grundrechten oder den anderen allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts wie etwa dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kollidiert."
Wie diese Auslegung nun aber konkret auszusehen hätte, bleibt damit weiter offen. Der EuGH schiebt die Verantwortung dem Mitgliedstaat zu - dieser muss seiner Richtlinienumsetzung eine Auslegung dieser vier (nicht ganz konsistenten) Richtlinien zugrundelegen, die einen Ausgleich der beteiligten Grundrechte ermöglicht und die Verhältnismäßigkeit wahrt. Daraus wird man wohl ableiten können, dass eine bedingungslose Herausgabepflicht außerhalb eines Gerichtsverfahrens schon bei bloßer Behauptung eines (geringfügigen) zivilrechtlichen Anspruchs wohl zu weit gehen dürfte - aber wo die Grenze wirklich liegt, lässt sich auch nach dem nun vorliegenden Beschluss nicht zuverlässig sagen.

In diesem Zusammenhang ein Literaturhinweis: Franz Schmidbauer setzt sich in einem jüngst erschienenen Aufsatz mit dem Titel "Konsument oder Urheberrechtsverbrecher?" mit einschlägigen Fragen auseinander. Seine Hoffnung, die EuGH-Entscheidung in der Rechtssache LSG könne "eine Klärung der in ganz Europa strittigen Frage bringen, unter welchen Voraussetzungen der Inhaber einer an sich anonymen IP-Adresse offengelegt werden darf und muss," wurde allerdings wenige Tage nach der Veröffentlichung durch den nun vorliegenden Beschluss enttäuscht.

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