Programmentgelt und Beihilfe: der "Brief aus Brüssel" in Sachen ORF-Finanzierung
"a) inhaltliche Änderung der Beihilfenregelung oder
b) Einführung von Verfahrensvorschriften oder
c) Abschaffung der Beihilfenregelung."
Da c) wohl auszuscheiden ist und die Möglichkeiten für a) eher limitiert sein dürften, wird der Schwerpunkt der zu erwartenden Entscheidung - auch nach den bisherigen Erfahrungen (siehe die Übersicht über alle einschlägigen Kommissionsentscheidungen hier) - in den Verfahrensregeln liegen. Tatsächlich birgt der "Brief aus Brüssel" auch keine besonderen Überraschungen:
- eine Konkretisierung des öffentlich-rechtlichen Auftrags für den Online-Auftritt und das Sport-Spartenprogramm wird erforderlich sein,
- ebenso eine angemessene nachträgliche Kontrolle der Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags,
- die Finanzierung ist auf die Nettokosten zu beschränken und Quersubventionen kommerzieller Tätigkeiten sind auszuschließen,
- dabei ist sicherzustellen dass sich der ORF hinsichtlich seiner kommerziellen Tätigkeiten, insbesondere bezüglich TW1, nach marktwirtschaftlichen Prinzipien verhält.
Die Aussendung des ORF zum "Brief aus Brüssel" hat den in diesem Fall sogar angenehm wirkenden Charme einer ad hoc-Meldung, die den wesentlichen Inhalt des Schreibens der GD Wettbewerb recht sachlich zusammenfasst; sie schließt mit zwei allgemeinen Statements des Generaldirektors , der "einzelne Aussagen dieses Briefes sehr positiv" wertet.
Vielleicht nicht ganz so positiv dürfte RNr 132 des Schreibens zu werten sein, in der es heißt:
"In diesem Zusammenhang nimmt die Generaldirektion Wettbewerb zur Kenntnis, dass § 4 ORF-G allgemein auf die Unverwechselbarkeit des Angebotes des ORF sowie Qualitätskriterien verweist. Allerdings ist der Generaldirektion Wettbewerb nicht bekannt, wie diese Unverwechselbarkeit im Einzelfall bestimmt wird und inwieweit die erwähnten Qualitätskriterien entwickelt und deren Anwendung angemessen überprüft wird."Die Eignung der Kontrollmechanismen für die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags scheinen der Kommission überhaupt zweifelhaft. Zum legendären Bericht nach § 8 ORF-G - in dem zuletzt sogar Prof. Bankhofers Sendungen die gesunde halbe Stunde
Zum Programmentgelt kommt die GD Wettbewerb übrigens, ebenfalls wenig überraschend (vor allem nach dem EuGH-Urteil in Sachen Bayerischer Rundfunk), zum Ergebnis, dass es sich dabei um staatliche Mittel handelt. Die Höhe des Programmentgelts werde unter staatlicher Kontrolle im weiteren Sinn festgesetzt - und die GD Wettbewerb verweist auch genüsslich darauf, dass dies "auch von der österreichischen Regierung in anderem Zusammenhang anerkannt zu sein" scheint (gemeint ist das Vorbringen in einem Verfahren vor dem EGMR, in dem Österreich behauptet hatte, es handle sich beim ORF um eine Organisation "under State control"; siehe dazu in diesem Blog schon hier und hier).
Neben den vergleichsweise einfachen Aufgaben, Online- und Sport+ bzw TW1-Aufträge neu zu fassen und eine ernsthafte nachlaufende Kontrolle einzurichten, dürfte die Nettokosten-Kalkulation schon ein komplexeres Unterfangen werden. In RNr. 97 des Briefs stellt die GD Wettbewerb zum status quo Folgendes fest:
"Die Anforderung, dass der ORF unter Zugrundelegung einer sparsamen Verwaltung die gesetzmäßigen Aufgaben des Rundfunks kostendeckend zu erfüllen hat, stellt nicht sicher, dass die so ermittelten Kosten, den Kosten eines durchschnittlichen, gut geführten Unternehmens entsprechen. Auch stellt die Generaldirektion Wettbewerb fest, dass die österreichischen Behörden keine konkreten Angaben übermittelt haben, die eine Prüfung erlaubt hätten, inwieweit die beim ORF zugrunde gelegten Kosten tatsächlich den Kosten eines effizienten Unternehmens entsprechen."