Thursday, January 31, 2008

Programmentgelt und Beihilfe: der "Brief aus Brüssel" in Sachen ORF-Finanzierung

"Legitimation durch Verfahren" (für die 1970er Jahre das, was "Code and Other Laws of Cyberspace" für die Jahrtausendwende war), wirkt immer noch: auch die schon lange erwartete beihilfenrechtliche Prüfung der ORF-Finanzierung durch die Europäische Kommission dürfte letztlich darauf hinauslaufen. Im letzten Absatz des heutigen Schreibens der GD Wettbewerb (vom Standard hier veröffentlicht) werden nämlich folgende Möglichkeiten in Aussicht gestellt:

"a) inhaltliche Änderung der Beihilfenregelung oder
b) Einführung von Verfahrensvorschriften oder
c) Abschaffung der Beihilfenregelung."

Da c) wohl auszuscheiden ist und die Möglichkeiten für a) eher limitiert sein dürften, wird der Schwerpunkt der zu erwartenden Entscheidung - auch nach den bisherigen Erfahrungen (siehe die Übersicht über alle einschlägigen Kommissionsentscheidungen hier) - in den Verfahrensregeln liegen. Tatsächlich birgt der "Brief aus Brüssel" auch keine besonderen Überraschungen:
  • eine Konkretisierung des öffentlich-rechtlichen Auftrags für den Online-Auftritt und das Sport-Spartenprogramm wird erforderlich sein,
  • ebenso eine angemessene nachträgliche Kontrolle der Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags,
  • die Finanzierung ist auf die Nettokosten zu beschränken und Quersubventionen kommerzieller Tätigkeiten sind auszuschließen,
  • dabei ist sicherzustellen dass sich der ORF hinsichtlich seiner kommerziellen Tätigkeiten, insbesondere bezüglich TW1, nach marktwirtschaftlichen Prinzipien verhält.
Was in dem Brief genau steht, haben die Fachleute der Regierungskoalition natürlich schon messerscharf analysiert und wie zu erwarten vollkommen entgegengesetzte Schlüsse daraus gezogen (hier und hier), was eine gewohnt konstruktive medienpolitische Streiterei Diskussion für die kommenden Monate erwarten lässt.

Die Aussendung des ORF zum "Brief aus Brüssel" hat den in diesem Fall sogar angenehm wirkenden Charme einer ad hoc-Meldung, die den wesentlichen Inhalt des Schreibens der GD Wettbewerb recht sachlich zusammenfasst; sie schließt mit zwei allgemeinen Statements des Generaldirektors , der "einzelne Aussagen dieses Briefes sehr positiv" wertet.

Vielleicht nicht ganz so positiv dürfte RNr 132 des Schreibens zu werten sein, in der es heißt:
"In diesem Zusammenhang nimmt die Generaldirektion Wettbewerb zur Kenntnis, dass § 4 ORF-G allgemein auf die Unverwechselbarkeit des Angebotes des ORF sowie Qualitätskriterien verweist. Allerdings ist der Generaldirektion Wettbewerb nicht bekannt, wie diese Unverwechselbarkeit im Einzelfall bestimmt wird und inwieweit die erwähnten Qualitätskriterien entwickelt und deren Anwendung angemessen überprüft wird."
Die Eignung der Kontrollmechanismen für die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags scheinen der Kommission überhaupt zweifelhaft. Zum legendären Bericht nach § 8 ORF-G - in dem zuletzt sogar Prof. Bankhofers Sendungen die gesunde halbe Stunde der Nahrungsergänzungsmittelindustrie auf TW1(!) als Programmhighlight zur Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags ausgewiesen wurden - merkt die GD Wettbewerb an, dass nicht klar sei, "welche Befugnisse National- und Bundesrat" (denen der Bericht vorzulegen ist) im Hinblick auf diesen Bericht haben. Klar ist nur, aber das sagt die GD Wettbewerb nicht, dass National- und Bundesrat diesen Bericht nicht einmal in Verhandlung nehmen - so gibt es leider keine Ausschuss- oder Plenardiskussion zum Beispiel zu den Berichten über "bewegende Schicksale starker Frauen, die ihre große Liebe finden" und so zur Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags beitragen.

Zum Programmentgelt kommt die GD Wettbewerb übrigens, ebenfalls wenig überraschend (vor allem nach dem EuGH-Urteil in Sachen Bayerischer Rundfunk), zum Ergebnis, dass es sich dabei um staatliche Mittel handelt. Die Höhe des Programmentgelts werde unter staatlicher Kontrolle im weiteren Sinn festgesetzt - und die GD Wettbewerb verweist auch genüsslich darauf, dass dies "auch von der österreichischen Regierung in anderem Zusammenhang anerkannt zu sein" scheint (gemeint ist das Vorbringen in einem Verfahren vor dem EGMR, in dem Österreich behauptet hatte, es handle sich beim ORF um eine Organisation "under State control"; siehe dazu in diesem Blog schon hier und hier).

Neben den vergleichsweise einfachen Aufgaben, Online- und Sport+ bzw TW1-Aufträge neu zu fassen und eine ernsthafte nachlaufende Kontrolle einzurichten, dürfte die Nettokosten-Kalkulation schon ein komplexeres Unterfangen werden. In RNr. 97 des Briefs stellt die GD Wettbewerb zum status quo Folgendes fest:
"Die Anforderung, dass der ORF unter Zugrundelegung einer sparsamen Verwaltung die gesetzmäßigen Aufgaben des Rundfunks kostendeckend zu erfüllen hat, stellt nicht sicher, dass die so ermittelten Kosten, den Kosten eines durchschnittlichen, gut geführten Unternehmens entsprechen. Auch stellt die Generaldirektion Wettbewerb fest, dass die österreichischen Behörden keine konkreten Angaben übermittelt haben, die eine Prüfung erlaubt hätten, inwieweit die beim ORF zugrunde gelegten Kosten tatsächlich den Kosten eines effizienten Unternehmens entsprechen."

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10 Fragen, 1 Antwort: EuGH-Urteil Centro Europa 7

Das italienische System der Lizenz- und Frequenzvergabe für Fernsehveranstalter ist reichlich komplex, und mit dem Übergang von analoger auf digitale Übertragung wurde es nicht gerade vereinfacht. Im Jahr 1997 - Berlusconi war gerade nicht an der Macht - wurden Neuregelungen für Frequenzvergaben beschlossen, die zum Marktzutritt neuer Betreiber hätten führen sollen; auch sollten Betreiber, die bestimmte Konzentrationsschwellen überschritten, terrestrische Frequenzen freimachen. Nach dem Machtwechsel zurück zu Berlusconi wurden diese Regelungen im Wesentlichen wieder zurückgenommen und bestehende Veranstalter konnten weiter analog senden, auch wenn sie die Konzentrationsschwellen überschritten. So kam es, dass der lokale Sender Centro Europa 7 zwar 1999 (vor Berlusconi) eine Lizenz erhalten hatte, aber nicht terrestrisch auf Sendung gehen konnte, weil er in der Folge keine Frequenzen zugeteilt erhielt, während die alteingessenen Betreiber weiter senden konnten. Die Klage von Centro Europa 7 auf Zuteilung von Frequenzen kam schließlich vor den Staatsrat, der dem EuGH zehn Fragen vorlegte, die schon von Generalanwalt Maduro als "in mehrfacher Hinsicht problematisch formuliert" bezeichnet wurden (siehe dazu hier bzw. hier).

Heute hat der EuGH in dieser Sache (C-380/05 Centro Europa 7) sein Urteil verkündet. Von den zehn Fragen wurden einige als unzulässig beurteilt und die anderen so zusammengefasst, dass eine Antwort genügte. Die Antwort ist auch vergleichsweise deutlich ausgefallen:

Art. 49 EG und – ab ihrem Anwendungsbeginn – Art. 9 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie (2002/21/EG), Art. 5 Abs. 1 und 2 Unterabs. 2 und Art. 7 Abs. 3 der Genehmigungsrichtlinie (2002/20/EG) sowie Art. 4 der Wettbewerbsrichtlinie (2002/77/EG) sind dahin auszulegen, dass sie im Bereich des Fernsehrundfunks nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, deren Anwendung dazu führt, dass ein Betreiber, der Inhaber einer Konzession ist, in Ermangelung von auf der Grundlage objektiver, transparenter, nichtdiskriminierender und angemessener Kriterien zugeteilten Sendefrequenzen nicht senden kann.

Eine Situation wie sie in Italien gegeben war, dass den bestehenden Betreibern ein ausschließliches Recht auf Funkfrequenzen eingeräumt wird, ohne die diesen Betreibern gewährte Vorzugsbehandlung zeitlich zu begrenzen und ohne eine Verpflichtung zur Rückgabe der überschüssigen Funkfrequenzen nach dem Übergang zum digitalen Fernsehrundfunk vorzusehen, ist damit jedenfalls nicht mit Art 49 EG bzw. dem neuen Rechtsrahmen, der diesbezüglich Art 49 EG für den Bereich der Fernsehrundfunkübertragungen umsetzt (RNr. 85) vereinbar.

Das "Fortbestehen einer Situation, in der die Rechte von Neueinsteigern angesichts der festgeschriebenen Rechte der Altbetreiber wertlos werden", wie dies der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen beschrieben hat, ist damit unzulässig. Unter Bezugnahme auf seine Placanica-Rechtsprechung führt der EuGH auch aus, dass eine Regelung, die die Zahl der Betreiber im nationalen Hoheitsgebiet begrenzt, aus im Interesse der Allgemeinheit liegenden Zielen gerechtfertigt werden kann, soweit die sich daraus ergebenden Beschränkungen angemessen sind und nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist. Art. 1 Abs. 3 der Rahmenrichtlinie erlaubt es auch ausdrücklich, im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht Bestimmungen zur Verfolgung von im Interesse der Allgemeinheit liegenden Zielen, insbesondere in Bezug auf die audiovisuelle Politik, zu erlassen oder beizubehalten. Eine nationale Regelung ist aber nur dann gerechtfertigt, wenn sie auch auf der Grundlage objektiver, transparenter, nichtdiskriminierender und angemessener Kriterien ausgestaltet wird (RNr. 100-103).

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Tuesday, January 29, 2008

File-Sharing und EuGH: das nächste Vorabentscheidungsverfahren läuft schon

Noch ein Follow-up zum EuGH-Urteil im Fall Promusicae (siehe voriges Post):
Während im Fall Promusicae das vorlegende Gericht wissen wollte, ob die Weitergabe von Daten vorgesehen werden muss (Anwort, wie berichtet: nein), liegt mittlerweile auch schon die "umgekehrte" Frage beim EuGH, nämlich ob die "Weitergabe personenbezogener Verkehrsdaten an private Dritte zum Zweck der zivilgerichtlichen Verfolgung bescheinigter Verletzungen urheberrechtlicher Ausschlussrechte (Verwertungs- und Werknutzungsrechte)" überhaupt vorgesehen werden darf. Die Vorlage kommt vom österreichischen Obersten Gerichtshof; eine EuGH-Geschäftszahl dazu ist mir noch nicht bekannt, der Vorlagebeschluss des OGH ist aber im Rechtsinformationssystem verfügbar, ebenso wie natürlich hier auf der Website internet4jurists von Franz Schmidbauer (dessen Site samt Blog hier nachdrücklich empfohlen werden soll).

Die Vorlagefragen des OGH im Wortlaut:
"1. Ist der in Art 5 Abs 1 it a und Art 8 Abs 3 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft verwendete Begriff "Vermittler" so auszulegen, dass er auch einen Access-Provider erfasst, der dem Nutzer nur den Zugang zum Netz durch Zuweisung einer dynamischen IP-Adresse ermöglicht, ihm aber selbst keine Dienste ("services"), wie etwa E-Mail, FTP oder einen File-Sharing-Dienst zur Verfügung stellt und auch keine rechtliche oder faktische Kontrolle über den vom Nutzer verwendeten Dienst ausübt?
2. Im Fall der Bejahung von Frage 1:
Ist Art 8 Abs 3 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. 4. 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums unter Bedachtnahme auf Art 6 und Art 15 der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (einschränkend) dahin auszulegen, dass er die Weitergabe personenbezogener Verkehrsdaten an private Dritte zum Zweck der zivilgerichtlichen Verfolgung bescheinigter Verletzungen urheberrechtlicher Ausschlussrechte (Verwertungs- und Werknutzungsrechte) nicht zulässt?"

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EuGH zur Weitergabe der IP-Adressen von Filesharern

Kein Gebot, aber auch kein definitives Verbot - und über allem der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. So lässt sich das heutige Urteil des EuGH in der Rechtssache C-275/06 Promusicae zusammenfassen.

Die Mitgliedstaaten sind demnach nicht verpflichtet, nationale Regelungen vorzusehen, nach denen Betreiber von Telekommunikationsnetzen verpflichtet werden, IP-Adressen von P2P-Nutzern an Urhebergesellschaften zur Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche herauszugeben - es ist ihnen aber auch nicht generell verboten. Jedenfalls muss ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den verschiedenen durch die Gemeinschaftsrechtsordnung geschützten Grundrechten (zu denen sowohl das Eigentumsrecht als auch das Recht auf Schutz personenbezogener Daten und damit des Privatlebens fällt) sichergestellt werden und die gefundene Auslegung der Richtlinien und des nationalen Rechts darf auch nicht mit allegemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts, wie etwa dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kollidieren.

Allzu deutlich ist der EuGH damit nicht geworden, und die - im Vorlageverfahren noch nicht anzuwendende - Richtlinie über die Vorratsspeicherung von Daten wird erwartungsgemäß mit keinem Wort erwähnt. [Die Generalanwältin hatte in ihren Schlussanträgen (siehe dazu schon hier) noch darauf hingewiesen, dass diese RL dazu führen könnte, "den gemeinschaftsrechtlichen Datenschutz in Bezug auf Streitigkeiten wegen Verletzungen des Urheberrechts zu stärken." ]

Dennoch kann der prominente und wiederholte Hinweis auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch als Bezugnahme auf die Ausführungen der Generalanwältin verstanden werden, die unter Bezugnahme auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz insbesondere auch zum Ergebnis gekommen ist , dass "die Angemessenheit der Weitergabe personenbezogener Verkehrsdaten ... bei der Einbindung staatlicher Stellen besser gewährleistet" werde und "die Möglichkeit der Weitergabe personenbezogener Verkehrsdaten auf besonders schwerwiegende Fälle beschränkt werden" könne, "etwa auf Taten in der Absicht, Gewinn zu erzielen, d. h. eine rechtswidrige Nutzung geschützter Werke, die ihre wirtschaftliche Verwertung durch den Inhaber des Rechts erheblich beeinträchtigt."

Hier noch die Beantwortung der Vorlagefrage im Wortlaut (das ganze Urteil ist auf der Website des EuGH verfügbar):
"Die Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“), die Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, die Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums und die Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) gebieten es den Mitgliedstaaten nicht, in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens im Hinblick auf einen effektiven Schutz des Urheberrechts die Pflicht zur Mitteilung personenbezogener Daten im Rahmen eines zivilrechtlichen Verfahrens vorzusehen. Die Mitgliedstaaten sind gemäß dem Gemeinschaftsrecht jedoch dazu verpflichtet, sich bei der Umsetzung dieser Richtlinien auf eine Auslegung derselben zu stützen, die es ihnen erlaubt, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den verschiedenen durch die Gemeinschaftsrechtsordnung geschützten Grundrechten sicherzustellen. Bei der Durchführung der Maßnahmen zur Umsetzung dieser Richtlinien haben die Behörden und Gerichte der Mitgliedstaaten nicht nur ihr nationales Recht im Einklang mit diesen Richtlinien auszulegen, sondern auch darauf zu achten, dass sie sich nicht auf eine Auslegung dieser Richtlinien stützen, die mit diesen Grundrechten oder den anderen allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts, wie etwa dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, kollidiert."

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Saturday, January 26, 2008

SPG-Novelle: Ein dringend notwendiges Gesetz, das gar nicht gebraucht wurde?


"Innenminister Günther Platter referierte über die Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz, präzisierte den Inhalt des Gesetzes und meinte im Zusammenhang mit der Feststellung der Standortdaten, es habe sich bei der Telefonüberwachung nichts geändert. Für Inhaltsdaten sei eine richterliche Anordnung notwendig. Man konnte schon bisher IP-Adressen feststellen. Im Gesetz wurden keine neuen Möglichkeiten für die Exekutive geschaffen, sondern nur Konkretisierungen vorgenommen."
(Hervorhebung und Verlinkung hinzugefügt, sonst Originaltext der offiziellen Aussendung der Parlamentskorrespondenz zur Sitzung des Innenausschusses vom 24.1.2008)
Wie soll man das verstehen: Die mit ungewöhnlicher Eile - ohne Befassung des zuständigen Nationalratsausschusses - beschlossene SPG-Novelle (siehe dazu hier) wäre eigentlich gar nicht notwendig gewesen? Oder: es hat sich nichts geändert, es gibt keine neuen Möglichkeiten - aber immerhin ist die unveränderte Praxis und die Nutzung der bestehenden Möglichkeiten nun rechtlich zulässig?

Wer sich anschauen will, was Innenminister Platter als bloße "Konkretisierungen" bezeichnet, möge § 53 SPG in der Fassung vor und nach der Novelle lesen.

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Thursday, January 24, 2008

Aviso: EuGH-Urteil in der Rs C-426/05 Tele2 für 21.2.2008 angekündigt

Mit einer gewissen Spannung - nicht nur in Österreich - wird die Entscheidung des EuGH in der Rs C-426/05 Tele2 erwartet. Im Kern geht es um die Frage, wem im Marktanalyseverfahren in der Telekommunikationsregulierung das Recht zukommen soll, einen Rechtsbehelf gegen Entscheidungen der nationalen Regulierungsbehörde zu erheben (nach österreichischem Recht in der Regel verknüpft mit der Parteistellung im Verwaltungsverfahren; siehe das Vorabentscheidungsersuchen hier). Nun hat der EuGH auf seiner Website die Verkündung des Urteils in dieser Sache für den 21. Februar 2008 angekündigt.
Aus diesem Anlass hier einmal eine Aufstellung der beim EuGH derzeit anhängigen Verfahren mit telekom- bzw. rundfunkrechtlichem Bezug:
Wer eine Übersicht über die bisherige Rechtsprechung des EuGH im Telekombereich gewinnen will, sei auf die von der DG Info erstellte Zusammenstellung ("Guide to Case Law") zur EuGH-Rechtsprechung im Telekommunikationsbereich verwiesen; diese Dokumentation erfasst die Entscheidungen bis Mitte 2007. Über alle wesentlichen seither ergangenen Entscheidungen wurde auch in diesem Blog (bzw in content and carrier) berichtet (1, 2, 3, 4, 5, 6).
Update 31.1.2008: Die Kommission hat weitere Klagen gegen Polen und Belgien wegen mangelhafter Umsetzung angekündigt (siehe Presseaussendung); eine Zusammenstellung der Vertragsverletzungsverfahren ist hier verfügbar. Das Datum der Beschlussfassung in der Kommission sagt freilich nichts darüber aus, wann das Verfahren tatsächlich vor dem EuGH anhängig gemacht wird; selbst in dem angeblich dringlichen Verfahren betreffend die deutschen Regulierungsferien vergingen von der Beschlussfassung in der Kommission bis zur Klagseinbringung noch einmal mehrere Monate.

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Tuesday, January 22, 2008

"Ertragsseitige Anpassung" versus "Erhöhung der Rundfunkgebühr": Rundfunkfinanzierung in Ö und D

So grell und bunt deutsche Fernsehprogramme sein mögen, das deutsche Rundfunkrecht ist an grauer Ernsthaftigkeit kaum zu übertreffen. Es ist eine Welt, in der Begriffe wie "Vorsitzender der Gremienvorsitzendenkonferenz" ganz ohne Ironie verwendet werden, und in der sich selbst Presseaussendungen der Landesmedienanstalten gelegentlich lesen, als stammten Sie vom Zentralkomitee zur Erhaltung des Amtsdeutschen.* Überhaupt fällt auf, dass alles, was in Deutschland mit Rundfunk zu tun hat, entweder Anstalt, Kommission oder Gremium zu sein scheint.

Nicht zuletzt wird auch die Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entscheidend von einer Kommission bestimmt: der KEF (Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten). Diese 16 Herren** haben nun einen mehr als dreihundertseitigen Bericht abgeliefert, der zum Ergebnis kommt, dass ab 2009 "eine Erhöhung der Rundfunkgebühr um 0,95 Euro auf 17,98 Euro erforderlich" ist. Dieser Bericht ist noch nicht die endgültige Festlegung der Gebührenhöhe, da müssen jetzt auch noch die Landesregierungen und die Landesparlamente der deutschen Länder entscheiden. Aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom vergangenen September (siehe dazu hier) ist deren Spielraum aber gering.

Und wie schaut es in Österreich aus? Hier bestimmt der öffentlich-rechtliche Rundfunkveranstalter einfach selbst, wieviel Geld ("Programmentgelt") er einheben möchte. Wenn das derzeit eingehobene Entgelt nicht reicht, dann wird erhöht angepasst. Die Entscheidung fällt - nach einem Antrag des Generaldirektors - im Stiftungsrat, dessen Mitglieder (nach dem Gesetz!) unabhängig und weisungsfrei sind (und dieselbe Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit haben wie Aufsichtsratsmitglieder einer Aktiengesellschaft). Die Mitglieder des Stiftungsrats sind auch zur Verschwiegenheit verpflichtet, nach außen dringt daher offiziell nur, was der ORF verlautbart.

Und während in Deutschland also der Bericht der KEF ausführlichst darlegt, welcher Finanzbedarf gegeben ist und welches "Gesamtvolumen an Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit" (!) gegeben ist, kennt die Öffentlichkeit in Österreich (offiziell) zwei knappe Presseerklärungen des ORF (hier und hier). Detaillierte Zahlen wie im KEF-Bericht werden nicht veröffentlicht, also kann man der kaufmännischen Direktorin nur glauben, dass die "genaue Analyse der ertrags- sowie auch der kostenseitigen Entwicklung" tatsächlich gezeigt hat, "dass der ORF bei gleichbleibendem Leistungsumfang strukturell unterfinanziert ist."

Von einer Erhöhung des Programmentgelts ist in den Aussendungen des ORF übrigens nie die Rede, stets nur von einer "ertragsseitigen Anpassung". Am konkretesten wird der ORF in der Aussendung zur Stiftungsratssitzung: "Ertragsseitig werden die Programmentgelte per 1.6.2008 um 9,4 % angepasst, das sind Euro 1,30 pro Teilnehmer und Monat." (Auch diese Anpassung ist allerdings noch nicht fix, wird aber voraussichtlich im Lauf des kommenden Monats endgültig beschlossen werden).

Dass die "ertragsseitige Anpassung" auf Grund eines Beschlusses der Rundfunkanstalt selbst, ohne Überprüfung oder Genehmigung durch eine Behörde, erfolgt (Generaldirektor Wrabetz hat dies als "österreichischen Weg der staatsfernen Gebührenfestsetzung" bezeichnet, siehe hier), dürfte bei der 2008 zu erwartenden Prüfung der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Österreich durch die Europäische Kommission wohl nicht unbeanstandet bleiben (siehe hier).

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* hier ein willkürlich gewähltes Zitat aus einer Aussendung der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten: "Eine derzeit laufende Programmanalyse ... soll weitere Parameter erbringen, die Grundlage der Erörterung mit den Verbänden der Hörfunkveranstalter sein und zu einer Fortschreibung der Handreichungen führen wird."
** Rundfunk in Deutschland ist eine ziemliche Männersache: nicht nur die KEF, auch die DLM besteht ausschließlich aus Männern, nur bei der KEK - der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich - gibt es eine weibliche Vorsitzende (sonst ausschließlich Männer).

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Sunday, January 20, 2008

Das Amtsblatt als Stütze der Republik

Anderswo müssen Gefängnisse gestürmt werden oder Paläste, der Präsidentensitz oder eine Rundfunkanstalt: in Österreich würde es ausreichen, das gedruckte Amtsblatt abzuschaffen, und der Staat würde im Chaos versinken.
Nach Ansicht des Chefredakteurs der republikseigenen Zeitung (hier, in der Ausgabe vom 19. Jänner 2008) handeln nämlich "alle jene, die meinen, wichtige Staats- und Wirtschaftsdaten sollten in Zukunft nur noch elektronisch veröffentlicht und gespeichert werden", grob fahrlässig (fragt sich freilich: wobei?) und stehen unter dem Verdacht, "bewusst die Hintertür zu einem Staatschaos öffnen" zu wollen ("bewusst" würde allerdings Vorsatz bedeuten, nicht bloß Fahrlässigkeit!).

Ein wenig muss ich mich da schon betroffen fühlen (siehe hier), aber ich bin wenigstens nicht allein: Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl und sein stv. Generalsekretär Reinhold Mitterlehner, gemeinhin nicht als "Türöffner zum Staatschaos" bekannt, haben Ähnliches zum Beispiel schon 2004 gefordert (siehe hier: "ein gedrucktes Amtsblatt nicht mehr notwendig und könnte ohne weiters durch ein internetbasiertes Veröffentlichungssystem ... ersetzt werden.").
Nun, dank der republikseigenen Zeitung wissen wir nun nicht nur, dass in Österreich nicht einmal mehr die Menschenrechte eingefordert werden können (laut diesem vor rund drei Wochen erschienenen Beitrag, siehe dazu auch hier), sondern auch, dass uns nur mehr die Aufrechterhaltung des gedruckten Amtsblattes vor dem Staatschaos retten kann.

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Wednesday, January 16, 2008

Prestigeobjekte und Professoren

Dies ist kein TW1-Watch-Blog; das nur zur Information jener, die wegen eines Beitrags im Standard erstmals hierher (vor allem wohl: dorthin) geschaut haben; nur heute noch ein letztes Posting zu diesem "Prestigeobjekt für den ORF" (laut Professor Mück). Die sicher spannende Frage, welche Nahrungsergänzungsmittel Professor Bankhofer in dieser von Professor Stamm moderierten Sendung in Professor Mücks fast öffentlich-rechtlichem Programm in der kommenden Woche empfehlen wird (in dieser Sendung empfiehlt er auch noch weitere), müssen Sie sich dann schon selbst beantworten.
Jedenfalls: mit dieser Dichte von Professoren kann die Umwandlung in ein öffentlich-rechtliches Programm wirklich nicht mehr weit sein. ORF-Stiftungsrat Medwenitsch (für den Berufstitel Professor fehlen ihm noch ein paar Lebensjahre) hat überhaupt schon erkannt, dass TW1 das eigentliche öffentlich-rechtliche Programm ist (laut Standard-Bericht).

Und warum auch nicht, denn unter der früheren Generaldirektorin gab es ja auch schon beim öffentlich-rechtlichen ORF Call-In-Quiz-Shows (siehe zum einschlägigen EuGH-Urteil hier), der Unterschied würde also auch diesbezüglich nicht so groß sein. Denn was sieht man, wenn man um diese nächtliche Uhrzeit einen Blick (Klick) auf den Livestream auf www.tw1.at wirft: Call-In-Quiz-Shows (siehe Screenshot oben).
So ganz identifiziert sich TW1 vielleicht doch nicht mit diesem Programm, denn im Programmguide steht "Channelsharing" mit der kryptischen Anmerkung "TCA-Sportquiz", und das Logo von TW1 am Bildschirm ist durch ein "TCA"-Logo ersetzt. Aber es ist der TW1-Livestream. Und jetzt bin ich auch eigens noch zum "richtigen" Fernsehgerät gegangen, auch das Teletext-Impressum zu dieser wunderbar öffentlich-rechtlichen Sendung nennt TW1.

Zurück zum "Prestigeobjekt für den ORF" (laut Prof. Mück). Im Wikipedia-Beitrag zum Stichwort Prestigeobjekt heißt es:
"Gerade für geringgeachtete Menschen steigt der gefühlte soziale Status vor allem mit der öffentlichen Zurschaustellung solcher Objekte. ... Ihrerseits können solche Prestigeobjekte aber so merklich eingesetzt werden, dass sie als Werbung für die eigne Person erkannt und kritisiert ('Protz') oder ironisiert ('Gernegroß') werden."

Ob der Herr Professor den Begriff so verstanden haben wollte?

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Sunday, January 13, 2008

Multiple Choice-Überwachung

Welche Daten hätten wir denn gerne? Stamm-, Vermittlungs- oder Standortdaten? IMSI? Einfach ankreuzen, bei der nächsten Frage noch den passenden Rechtsgrund dazu ankreuzen und per Fax an den Telekombetreiber geschickt - so kann die Überwachung elektronischer Kommunikation administriert werden.

Das Nachrichtenmagazin profil hat in der aktuellen Ausgabe (nicht online verfügbar) das Faksimile eines von den Sicherheitsbehörden verwendeten Fax-Anfrageformulars abgedruckt; auf einer vom grünen Abgeordneten Peter Pilz registrierten Website, die sich der Überwachung des Innenministers widmet, ist dieses Formular zum download verfügbar. Das Bild oben links ist ein Ausschnitt daraus. Schon angesichts der sehr polizeitypischen Sprache ("Die obenangeführte Behörde ersucht um Übermittlung der unter dem Anfragegrund angeführten Daten der angefragten Teilnehmernummern ...") kann man wohl davon ausgehen, dass das Formular wirklich von den Sicherheitsbehörden stammt.

Das Formular sieht drei mögliche Rechtsgründe vor: die zwei neuen Bestimmungen im Sicherheitspolizeigesetz (§ 53 Abs 3a und § 53 Abs 3b, siehe dazu hier) und "im Dienste der Strafrechtspflege" (mit - konkret zu bezeichnender - gerichtlicher Anordnung). Ich will die Rechtsgrundlagen hier nicht kommentieren - aber die Formulargestaltung mit der Vermischung von Anfragen, die ohne richterliche Genehmigung möglich sind, und noch gravierenderen Eingriffen, die einer richterliche Anordnung bedürfen, ist jedenfalls nicht geglückt.

PS: Ich wollte zum SPG in der aktuellen Fassung verlinken - aber im Rechtsinformationssystem des Bundes ist auch knapp zwei Wochen nach dem Inkrafttreten die Aktualisierung bei der Abfrage der "geltenden Fassung" noch nicht durchgeführt worden (siehe hier den Ausdruck von heute); ich kann also auf mein voriges Post oder auf das authentische BGBl verlinken.
[PPS: Update 1.6.2008: mittlerweile ist ein entsprechender - überarbeiteter - Erlass des BMI (vom 28.1.2008) auf Grund einer parlamentarischen Anfragebeantwortung verfügbar gemacht worden.]

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Saturday, January 12, 2008

Beiträge zu verkaufen - garantierte Sendezeit - und fast öffentlich-rechtlich

"Tatsächlich leistet TW1 NEU aus seinen kommerziellen Einnahmen bereits jetzt ein beachtliches öffentlich-rechtliches Programmangebot" - sagt Professor Mück, der es ja wissen muss.

Offenbar geblendet vom grundlegenden Umbau des TW1-Programms, der nun schon seit einem Jahr in Gang sein soll (siehe auch hier), habe ich vor kurzem noch gemeint, dass die die direkten Angebote zum Kauf redaktioneller Sendezeit auf TW1, einer 100% Tochter des öffentlich-rechtlichen ORF, nicht mehr im Internet verfügbar seien. Das war allerdings ein Irrtum - so grundlegend ist der Umbau offenbar nun doch nicht.

Denn noch ist Hopfen & Malz nicht verloren: wollen Sie einen TV-Beitrag mit 4 Minuten, zweimal "3,30 Minuten", oder gleich garantierte Sendezeit von 10 Minuten? Mit fixem Sendeplatz auf TW1 und Interviews nach Ihrer Wahl? Nähere Infos hier und dort (das Angebot stammt natürlich nicht von TW1 selbst, sondern aus dem Umfeld eines Produktionsunternehmens; UPDATE 16.1.2008: der Produzent der Sendung hat mich informiert, dass der Text nicht von ihm stammt; außerdem handelt es sich nach seinen Angaben bei Hopfen & Malz um eine Werbesendung, für die Werbezeit von TW1 gekauft wird).

PS (das habe ich schon einmal irgendwo erwähnt): § 17 Abs 7 ORF-G gilt eigentlich auch für TW1. Und dass Werbesendungen, auch wenn sie schon einmal 10 Minuten dauern und sich als Bericht tarnen, nach § 13 Abs 3 ORF-Gesetz gekennzeichnet sein müssen, hat TW1 auch schon einmal vom Bundeskommunikationssenat erklärt bekommen: nämlich hier (Spruchpunkt II).

PPS (Update 18.1.2008): seit neuem (gestern oder heute) ist in der Sendungsübersicht auf der TW1-Website bei mehreren Sendungen, unter anderem auch bei Hopfen und Malz, angegeben, dass es sich um Werbesendungen handelt. Bei Professor Bankhofers Sendung übrigens nicht (die wäre mit einer halben Stunde ja auch zu lang dafür) - also glauben wir weiterhin fest daran, dass selbstverständlich kein Nahrungsergänzungsmittelerzeuger irgendeine Leistung dafür erbringt, um in dieser Sendung vorzukommen.

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Friday, January 11, 2008

EuGH: Befugnisse der finnischen Regulierungsbehörde - Kommission unterliegt

Die Beschränkung der Befugnisse der nationalen Regulierungsbehörden für die Märkte der elektronischen Kommunikation ist der Kommission ein Dorn im Auge, und so ist sie mit Vertragsverletzungsverfahren gegen Finnland (C-387/06), Polen (C-227/07) und Deutschland (C-424/07) vorgegangen, denen sie jeweils vorwarf, nicht ausreichende Befugnisse für die Behörden vorgesehen zu haben.

Im Verfahren gegen Finnland musste die Kommission nun eine Niederlage einstecken: sie hat dem Gerichtshof nicht ausreichend dargelegt, warum gerade die von ihr angegriffene Bestimmung (Artikel 43 des finnischen Gesetzes über den Kommunikationsmarkt) eine Einschränkung der Befugnisse der Regulierungsbehörden bewirkt. Die spannende Frage, welche Befugnisse den nationalen Regulierungsbehörden jedenfalls zukommen müssen, wurde in diesem Urteil (derzeit nur in französischer und finnischer Sprache verfügbar) damit nicht inhaltlich behandelt.

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Thursday, January 10, 2008

Konsultation der Kommission: öffentlich-rechtlicher Rundfunk und Beihilfenrecht

Die Europäische Kommission plant eine Anpassung der Rundfunkmitteilung aus dem Jahr 2001, die derzeit der beihilfenrechtlichen Beurteilung öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten zugrunde gelegt wird (eine Zusammenstellung der bisherigen Kommissionsentscheidungen in Beihilfensachen ist hier verfügbar). In einem heute veröffentlichten Konsultationsdokument (siehe dazu auch das Explanatory Memorandum und die Pressemitteilung) werden zahlreiche Fragen gestellt, zu den in den kommenden zwei Monaten Stellung genommen werden kann. Im zweiten Halbjahr soll dann - "gegebenenfalls" - ein Vorschlag für eine überarbeitete Rundfunkmitteilung vorliegen, die im Sommer 2009 in Kraft treten könnte.

Aus österreichischer Sicht sind sicher Ausführungen zur Frage nach den "Schwierigkeiten kleinerer Mitgliedstaaten" (Punkt 2.8 des Konsultationsdokuments) besonders interessant.

Und aus aktuellem Anlass schlage ich für die Beantwortung der Frage:
"Bitte erläutern Sie, wie in Ihrem Land der öffentlich-rechtliche Auftrag erteilt wird."
einen Multiple-Choice-Test für TW1-Geschäftsführer Werner Mück vor:
a) Ausschussfeststellung
b) Gesetz
c) Stille Post

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Professor Mücks Phantom der Gesetzgebung: TW1 als öffentlich-rechtliches Programm

TW1 ist das einzige Fernsehprogramm eines österreichischen Rundfunkveranstalters, das weder dem Privatfernsehgesetz unterliegt, noch allen wesentlichen Bestimmungen des ORF-Gesetzes, vor allem auch nicht jenen, in denen der öffentlich-rechtliche Auftrag des ORF festgelegt ist (siehe dazu schon hier).

Auch der Auftrag, sich um Qualität zu bemühen(!), wie er in § 10 Abs 3 ORF-G für den ORF festgelegt ist, gilt für TW1 nicht. Dafür bemüht sich TW1-Geschäftsführer Professor Werner Mück um etwas anderes: den Umbau zum öffentlich-rechtlichen Sparten-Sender - und das seit einem Jahr, jedenfalls wird das in einer Presseaussendung von TW1 heute behauptet: "Vor einem Jahr", so heißt es dort, "hat mit der Übernahme der Geschäftsführung von TW1 durch Prof. Werner Mück ein grundlegender Umbau ... in Richtung öffentlich-rechtlicher Sparten-TV-Sender" begonnen.
Wie das im Detail aussieht, kann man - wenn man wie ich gerade Urlaub hat und das Wetter schlecht ist - an den laufenden TW1-Produktionen gut erkennen (eine Auswahl davon gibt es nicht nur auf der TW1-Seite, sondern auch - von einem Produzenten dort eingestellt - auf YouTube); empfehlenswert sind zB die "Haus&Bau"-Sendungen, in denen kritisch und unabhängig über tolle Innovationen berichtet wird, zufälligerweise von jenen Unternehmen, die die Sendung auch unterstützen (zB hier).
Aber nachdem nun ja klar ist, dass auch Dokumentationen im öffentlich-rechtlichen ORF 1 inhaltlich dadurch bestimmt werden, wer zur Entstehung einen finanziellen Beitrag leistet, ist TW1 vielleicht wirklich nicht mehr allzu weit von diesem Verständnis des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entfernt ("rund um die Uhr Promotionmöglichkeiten" heißt es auf der TW1-Website, ein wenig in Verkennung des Umstandes, dass TW1 gar nicht rund um die Uhr sendet).
Die Presseaussendung von TW1 (mit einer Einladung zu einer Pressekonferenz am 14.1.) demonstriert eindrucksvoll einen Stille Post-Effekt - bei Professor Mück ist nämlich Folgendes angekommen:
"... verfolgt TW1 NEU die in der ORF-Gesetznovelle 2007 vorgesehene Umwandlung in einen öffentlich-rechtlichen Spartensender für Information und Kultur."
Gemeint ist wahrscheinlich die Novelle BGBl I 2007/52, die aber - wie auch die zweite ORF-G-Novelle des Jahres 2007 - keine Bestimmungen enthält, aus denen das in der TW1-Aussendung Behauptete entnommen werden könnte.
Was Mück wahrscheinlich meint, ist eine Feststellung im Bericht des Verfassungsausschusses zu dieser Novellierung. Dort heißt es:
„Ferner beschloss der Verfassungsausschuss mit Stimmenmehrheit folgende Feststellungen:
Der Ausschuss stellt fest, dass gemäß Regierungsprogramm nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben TW1 ehest möglich zu einem öffentlich rechtlich finanzierten Spartenkanal umgewandelt werden soll, dessen Programm insbesondere Information, Kultur und Wissenschaft umfassen soll.“
Was der Ausschuss feststellt, hat freilich keine Gesetzeskraft. Abgesehen davon ist die Feststellung nicht einmal richtig. Im Regierungsprogramm steht nämlich Folgendes:
„Falls der Spartenkanal TW 1 öffentlich-rechtlich finanziert werden soll, so besteht die Möglichkeit, ihn zu einem Spartenkanal, für Kultur und Information umzubauen.“
Gut, dass für TW1 auch das Gebot zur umfassenden und objektiven Information (§ 10 Abs 4 ORF-G) nicht gilt!

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Wednesday, January 09, 2008

Sarkozy: Handy- und Internetsteuer zur Rundfunkfinanzierung?

Eine gewisse "Schizophrenie des service publique", des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, konstatierte Nicolas Sarkozy gestern in einer Pressekonferenz (siehe zB hier), "eingezwängt zwischen kulturellem Streben und kommerziellen Zielen".

Um das zu ändern, soll jegliche Werbung aus dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen verbannt werden. Als Ersatz dafür soll eine Abgabe auf die Werbeeinnahmen der privaten Rundfunkbetreiber dienen und eine geringfügige Steuer auf neue Kommunikationstechniken wie Internetzugang und Mobiltelefonie ("une taxe infinitésimale sur les chiffres d’affaires des nouveaux moyens de communication comme l’accès à Internet ou la téléphonie mobile.").

Was genau er sich unter "infinitesimal" vorstellt (im mathematischen Sinn kann er es ja wohl nicht gemeint haben) und was letzendlich Steuergegenstand sein soll, hat Sarkozy noch nicht preisgegeben. Auch ist jedenfalls mir nicht klar, weshalb gerade Mobiltelefonie besteuert werden soll und wie dies technologieneutral/nichtdiskriminierend bzw. nicht wettbewerbsverzerrend gestaltet werden sollte. Eine Art "Frequenzabgabe" kann es ja wohl kaum sein, denn die würde jedenfalls gegen Art 12 der Genehmigungsrichtlinie verstoßen.

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Sunday, January 06, 2008

ORF-Zählweise: wenn zwei schon viele sind

Kleine Kinder (und nicht nur sie) zählen angeblich "eins, zwei, viele". Im ORF, dessen journalistische Regeln uns Kommunikationschef Pius Strobl gelegentlich nahezubringen versucht, gilt offenbar eine andere Zählweise: "eins, viele, noch mehr". Laut APA hat Pius Strobl ja gesagt, der ORF sei beim "Pausenfilm" zum Neujahrskonzert (siehe dazu hier) "lediglich ein Koproduzent unter vielen" gewesen (und habe mit dem Umstand, dass die Beiträge in diesem Pausenfilm gegen Bezahlung stattfanden, "insofern nichts zu tun, als er nicht Auftraggeber des Films gewesen sei.").

Der Screenshot zeigt, wie viele (in altmodischer Nicht-ORF-Zählweise: zwei) Koproduzenten da am Werk waren. Die Credits weisen auch "Produktion ORF Michael Heinzl Redaktion Heidelinde Rudy Leitung Martin Traxl" aus, was wohl ebenfalls sicherstellt, dass der ORF mit der Sache "insofern nichts" zu tun hatte.

Und am Ende des Films gibt es sogar eine Sponsor-Einblendung (siehe unten), die vor allem eine Frage aufwirft: haben die anderen im Film gezeigten Einrichtungen und Unternehmen (z.B. Diamond Aircraft) wirklich nichts dafür gezahlt, dass sie vorkamen? Und auch keine sonstige Gegenleistung erbracht (zB bei den Flugaufnahmen, die ja schon bei einem früheren Neujahrskonzert einmal auch unter Verwendung von Diamond Aircraft Flugzeugen gemacht wurden, wie auf Seite 19 dieser Veröffentlichung nachgelesen werden kann)?

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Saturday, January 05, 2008

Wer zahlt, kommt vor: "entspricht journalistischen Regeln"

"... und das ganze Land spielt im 'ersten Fußballspiel quer über die Alpen' mit", hieß es in der Programmankündigung des ORF zum Pausenfilm beim Neujahrskonzert (siehe Bild links, für eine größere Ansicht bitte anklicken). Das "ganze Land" umfasste aber weder das Burgenland noch die Steiermark, und von Kärnten kam auch nur die Hypo Alpe-Adria Bank so richtig ins Bild. Der naheliegende Grund: gezeigt wird nur, wenn auch gezahlt wird.

Ein entsprechender Bericht im Standard wurde vom ORF auch gar nicht dementiert, im Gegenteil. Nach der heutigen Ausgabe des Standard sieht der ORF die Sache als "nicht problematisch", außerdem habe der ORF, so wird ORF-Kommunikationschef Pius Strobl zitiert, "damit insofern nichts zu tun, als er nicht Auftraggeber des Films gewesen" sei, sondern (?) "lediglich ein Koproduzent unter vielen."

Dass die Vorgangsweise, wonach ein Auftragsproduzent (wie hier die Produktionsfirma von Georg Riha) Geld für die Realisierung einer Produktion aufstellen muss, üblich ist, worauf Strobl auch hinweist, ist bekannt; dass der ORF dies als "rechtlich gedeckt" ansieht, auch (da es beim "location placement" nicht um die "Erwähnung oder Darstellung von Waren, Dienstleistungen, Namen, Marken oder Tätigkeiten eines Herstellers von Waren oder eines Erbringers von Dienstleistungen" geht, wird es nicht von den Product Placement-Regeln des § 14 Abs 5 ORF-G erfasst - Grenzen setzt freilich § 17 Abs 7 ORF-G, wonach die "Gestaltung von Sendungen oder Sendungsteilen nach thematischen Vorgaben Dritter gegen Entgelt" unzulässig ist).

Im konkreten Fall ist aber bemerkenswert, dass nicht nur die ohnehin bekannten Zahlungen bestätigt wurden, sondern auch, dass die Zahlungsbereitschaft der Länder bzw Städte direkten Einfluss auf den Inhalt der als "Dokumentation" angekündigten Produktion hatte. Dies, so ORF-Kommunikationschef Pius Strobl, "entspricht journalistischen Regeln" (so zitiert aufgrund einer APA-Meldung zB im Standard und der Kleinen Zeitung).

Wer sonst als der Kommunikationschef des größten österreichischen Medienunternehmens sollte über die journalistischen Regeln Bescheid wissen? Zwar heißt es in Punkt 1.4.10. der ORF-Programmrichtlinien:

"Die Einflussnahme Außenstehender auf Inhalt und Form von Programmelementen ist unzulässig."

Aber wir wissen nun, dass es den im ORF angewandten journalistischen Regeln entspricht, wenn der Inhalt einer vom öffentlich-rechtlichen ORF koproduzierten und im ORF ausgestrahlten Dokumentation davon abhängig ist, wer bereit ist, dafür zu bezahlen.

PS: dass mit "location placement" gelegentlich auch "politician placement" verbunden werden kann, hat der ORF vor ein paar Jahren schon gezeigt, allerdings nicht in einer Dokumentation, sondern einem Fernsehfilm. Das Land Niederösterreich zahlte 100.000 Euro dafür, dass der "Ferienarzt" in der Wachau spielte; dass Landeshauptmann Erwin Pröll in diesem Film auch einen Auftritt hatte (und - wie immer - sich selbst spielte), hatte aber mit dem Beitrag des Landes Niederösterreich sicher nichts zu tun.

PPS: Das war natürlich auch ein Beitrag in der Serie "Mit dem Rundfunkrecht durch die Jahreszeiten", hier: Neujahr (zuletzt: Winter)

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Friday, January 04, 2008

Rückwirkend aufgeräumt: die Bundesverfassung

Mit BGBl I 2008/2 wurde heute eine B-VG-Novelle und das
Erste Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz (1. BVRBG) kundgemacht.

Das Jahresende wird ja häufig zum Aufräumen genützt, aber nicht jeder hat es dabei so leicht wie der Gesetzgeber, der auch rückwirkend sauber machen kann: die "Rechtswirkungen" des 1. BVRBG treten nämlich nach dessen § 8 (überwiegend) schon rückwirkend zum 1. Jänner 2008 ein. Aus telekom- und rundfunkrechtlicher Sicht ist nichts Spannendes dabei, dennoch hier eine Dokumentation der Aufräumarbeiten:

Bisher als verfassungsändernd beurteilte Bestimmungen in Staatsverträgen werden zu einfachen Bestimmungen degradiert ("ihres Verfassungsrangs entkleidet"); betroffen sind davon aus telekomrechtlicher Sicht:

"Art. VII lit. c Z iii und viii, Artikel VIII lit. b Z ii und vi, Art. X lit. a Z xxvi, Art. XVI lit. b Z i und ii, Art. XVII lit. c, d und e, Art. 21 lit. c, d und e und Art. 22 lit. c, d und e des Betriebsübereinkommens über die Internationale Fernmeldesatellitenorganisation "INTELSAT", BGBl 1973/343"

"Pkt. 6 des Beschlusses über Verhandlungen über Fernmeldegrunddienste, Abkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO-Abkommen) mit Anhängen, samt Schlußakte und Beschlüssen, BGBl. Nr. 1/1995"
(im neuen RIS ist das BGBl derzeit bemerkenswerter Weise nicht auffindbar, wohl aber in der alten Version; für alle, die nicht das gesamte WTO-Abkommen durchsuchen wollen, um die weltbewegende Änderung zu finden hier der Wortlaut der zitierten Bestimmung:
"6. Alle sich aus den Verhandlungen ergebenden Bindungen, einschließlich des Datums des Inkrafttretens, werden in die dem Allgemeinen Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen als Anhänge beigefügten Listen aufgenommen und unterliegen allen Bestimmungen des Abkommens.")

Aus rundfunkrechtlicher Sicht könnte man sogar eine Schlagzeile basteln: "Kontrolle des ORF durch den Rechnungshof eingeschränkt" - denn tatsächlich kann man aus der Aufhebung des

"Art. IV der Anlage 2 zur Kundmachung des Bundeskanzlers vom 21. September 1984, mit der das Bundesgesetz über die Aufgaben und die Einrichtung des
Österreichischen Rundfunks wiederverlautbart wird, BGBl. Nr. 379/1984"

herauslesen, dass die Rechnungshofkontrolle des ORF wegfällt: nämlich für den Zeitraum vor 1981. Die aufgehobene Bestimmung lautete:

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