Wednesday, November 05, 2008

Entwurf für neue Rundfunk-Mitteilung der Kommission

Seit die Europäische Kommission im Jahr 2001 ihre Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften über Staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (2001/C 320/04) veröffentlicht hat, wurden im Rundfunksektor einige Beihilfeverfahren geführt (siehe die Zusammenstellung der Kommissionsentscheidungen hier) und es gibt mittlerweile auch erste einschlägige Urteile des EuG (insbesondere die Rechtsachen T-442/03 SIC und T-309/04 (ua) TV2, siehe dazu hier und hier). Die Kommission hat daher nun - nach einer ersten Konsultation - einen Entwurf für eine neue Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlichrechtlichen Rundfunk vorgelegt (siehe dazu auch die Presseaussendung sowie ein Memo (FAQs) der Kommission). Bis zum 15. Jänner 2009 kann man dazu Stellung nehmen.

Große Überraschungen enthält das Dokument nicht, vor allem nach der Kommissions-Entscheidung zum deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk - und für Österreich der vorläufigen Auffassung der Kommission zur Finanzierung des ORF - sowie dem EuG-Urteil in der Rs T-442/03 SIC (das erst kürzlich ergangene Urteil T-309/04 TV2 konnte im vorliegenden Mitteilungsentwurf offensichtlich nicht mehr berücksichtigt werden) war die Linie vorhersehbar:

  • ungeachtet des Erfordernisses einer Einzelfallbetrachtung ist die staatliche Finanzierung öffentlich-rechtlicher Rundfunkveranstalter (auch wenn sie durch Gebühren von Teilnehmern erfolgt) in der Regel als Beihilfe anzusehen (außer wenn alle vier Altmark-Kriterien erfüllt werden)
  • bei der Beurteilung der Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt kommt es im Kern auf die Definition des Auftrags und die Betrauung des Unternehmens (beides obliegt im Fall des öffentlich-rechtlcihen Rundfunks den Mitgliedstaaten) sowie auf die Verhältnismäßigkeit an
  • Bei der Definition des Auftrags prüft die Kommission nur, ob "offensichtliche Fehler" vorliegen ("Dies ist u. a. bei Werbung, elektronischem Handel, Teleshopping, Sponsoring und Merchandising in der Regel der Fall."). Der Auftrag soll so genau wie möglich definiert werden, die Kommission akzeptiert jedoch - im Lichte der Rechtsprechung des EuG naheliegend - auch die Betrauung mit der Aufgabe, "ein großes Programmspektrum und ein ausgewogenes und abwechslungsreiches Programm zu bieten".
  • Die Bereitstellung audiovisueller Medieninhalte in Form linearer Dienste über
    neue Vertriebsplattformen und das Anbieten von Spartenprogrammen und Mediendiensten, die keine "Programme" im herkömmlichen Sinne sind (Online-Informationsdienste, nichtlineare Dienste und Dienste auf Abruf) ist auch als Teil des öffentlich-rechtlichen Auftrags zulässig, "sofern sie den demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der jeweiligen Gesellschaft entsprechen und keine unverhältnismäßigen und für die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags nicht notwendigen Auswirkungen auf den Markt haben."
  • Auch entgeltliche Angebote können (im Ausnahmefall) unter den öffentlich-rechtlichen Auftrag fallen ("muss jedoch mit besonderer Vorsicht abgewogen werden"), als (wohl zulässiges) Beispiel wird der Zugang zu technologisch besodners fortschrittlichen Diensten genannt oder wenn zB beim Handy-TV Übertragungsentgelt des Plattformbetreibers verlangt werden. Keinesfalls als Teil des öffentlich-rechtlcihen Auftrags zulässig sind jedoch das Anbieten von "Premium-Inhalten" (wie dem Endspiel der UEFA Champions League) auf Pay-per-View-Basis oder "etwa die Veranstaltung von Gewinnspielen, an denen die Zuschauer durch Anrufen einer Telefonnummer mit erhöhter Gebühr teilnehmen können" (gebührenfinanziertes Call-In TV, wie es der ORF mit dem Quiz-Express angeboten hat, will die Kommission also nicht dulden)
  • Für neue Dienste ist eine vorgängige Prüfung durch die Mitgliedstaaten notwendig, wobei eine Konsultation mit den Betroffenen und die Veröffentlichung des Ergebnisses samt Begründung vorzusehen ist. Die Prüfung "sollte" von einer externen Stelle vorgenommen werden, die von der Leitung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt unabhängig ist. Ausnahmsweise (zu lesen als: zB in Deutschland) kann auch eine zur öffentlich-rechtlcihen Rundfunkanstalt gehörende Stelle mit der Prüfungsdurchführung betraut werden, wobei noch einige Vorkehrungen zur Sicherung der Unabhängigkeit notwendig sind (näher dazu in RNr. 62 des Mitteilungsentwurfs).
  • Auch die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags muss von einer geeigneten Behörde oder "benannten Stelle" kontrolliert werden, die unabhängig von der Rundfunkanstalt ist und "mit den erforderlichen Befugnissen und Ressourcen ausgestattet ist, um eine regelmäßige Kontrolle vorzunehmen und zur Gewährleistung der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen nötigenfalls geeignete Abhilfemaßnahmen zu beschließen (z. B. verbindliche Verpflichtungen, geeignete Sanktionen)."
  • Mischfinanzierung (Werbung und Gebühren) ist grundsätzlich zulässig, die Transparenz muss freilich gewährleistet sein. Damit in Zusammenhang legt die Kommission die Ausgliederung abtrennbarer kommerzieller Tätigkeiten nahe: "Daher ruft die Kommission die Mitgliedstaaten auf, eine funktionale oder strukturelle Trennung erheblicher und abtrennbarer kommerzieller Tätigkeiten als vorbildliches Verfahren in Erwägung zu ziehen."
  • Bei der Frage der Überkompensierung scheint mir im Lichte des jüngsten Urteils des EuG in der Sache TV2 noch ein gewisser Überarbeitungsbedarf gegeben. Der Kommissionsentwurf geht von der Höchstgrenze von 10% aus, die nur in speziellen Ausnahmesituationen (zB wenn eine Rücklage ausdrücklich für einmalige erhebliche Investition, etwa die Digitalisierung, gewidmet wird) überschritten werden dürfte (RNr. 95). Auch für die Verwendung der Finanzierungsmittel ist eine "regelmäßige und wirksame Aufsicht" zu gewährleisten.
  • "Um ... wettbewerbsschädliches Verhalten auszuschließen, fordert die Kommission die Mitgliedstaaten auf, den allgemeinen Rahmen für den Erwerb, die Nutzung und die etwaige Sublizenzierung von Premium-Rechten durch öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten transparenter zu gestalten." (RNr. 103; in der englischen/französichen Fassung RNr. 102)
  • Und schließlich haben die Mitgliedstaaten auch "geeignete Mechanismen zur Verhinderung
    unangemessener Marktverzerrungen und zur Kontrolle des Marktverhaltens der
    öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten einzurichten."

PS: Da die Kommission leider die Quellen nicht verlinkt, hier die wichtigsten im Mitteilungsentwurf referenzierten Dokumente mit den entsprechenden Links:

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