Tuesday, December 09, 2008

"Wert über Gebühr": Der erste Public Value Bericht des ORF

Wie der ORF seinen gesetzlichen Auftrag erfüllt, muss er in seinem Jahresbericht nach § 8 ORF-Gesetz jedes Jahr bis zum 31. März an National- und Bundesrat berichten (dort interessierte sich übrigens lange Zeit lang niemand für diesen Bericht - nach der Geschäftsordnung ist er auch kein Gegenstand der Verhandlung im National- oder Bundesrat; nur die Grünen haben heuer einmal versucht, den Bericht auch zu thematisieren). Und der ORF selbst versteckte diesen Bericht immer so gut als möglich, was angesichts der textlich wie grafisch lieblosen Zusammenstellung durchaus verständlich war; online waren die Jahresberichte überhaupt nie verfügbar.

Der heute von ORF-Generaldirektor Wrabetz präsentierte Public Value Bericht unterscheidet sich schon optisch deutlich vom Jahresbericht und ist - beim ORF ist das nicht selbstverständlich - auch online verfügbar (pdf-download 12,85 MB!). Unter dem Titel "WERT über GEBÜHR" versucht der Bericht auch einen moderneren Zugang, der über die beziehungslose Aufzählung von mehr oder weniger öffentlich-rechtlichen Programminhalten hinausgeht. In "fünf Qualitätsdimensionen [individueller Wert, Gesellschafts-, Österreich-, internationaler und Unternehmenswert] und 18 Kategorien [Vertrauen, Service, Unterhaltung, Wissen, Verantwortung; Vielfalt, Orientierung, Integration, Bürgernähe, Kulturauftrag; Identität, Wertschöpfung, Föderalismus; Europa-Integration, Globale Perspektive; Innovation, Transparenz, Kompetenz]" will der Bericht "Wert und Nutzen der ORF-Leistungen" dokumentieren. Auch wenn das an mancher Stelle noch recht allgemein ist, könnte es doch eine gute Basis für die weitere Diskussion schaffen - etwa ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk tatsächlich als Teil seines Auftrags unbedingt Telefonseelsorge-Leistungen anbieten und noch weiter ausbauen muss, um nur ein Beispiel zu nennen. Der Bericht nimmt jedenfalls auch auf die aktuellen Debatten Bezug und will sich ausdrücklich dem Urteil des Publikums stellen (eine Zwischenüberschrift lautet: "Unser Angebot: WIR dokumentieren. SIE urteilen.").

Und natürlich fallen auch bei einer ersten Durchsicht schon ein paar Punkte auf, an denen die Glaubwürdigkeit des Berichts strapaziert wird; etwa wenn (auf Seite 41) die "Gesundheitsbeiträge" im Magazin Herbstzeit bzw Winterzeit hervorgehoben werden (siehe dazu zB hier; Stichwort: "PR wie geschmiert"). Und eher unfreiwillig komisch wirkt es, wenn ausgerechnet Wolfgang Lorenz (ja, der!) schreibt:
"Besser miteinander leben zu können, zivilisierter miteinander umzugehen, und respektvoll miteinander zu reden: Wenn der ORF dazu nicht verleiten und verführen wollte, verachtete er sein Publikum und sich selbst. "
Aber kann man ganz sicher sein, dass Lorenz mit den Wortformen "wollte" und "verachtete" wirklich den Konjunktiv verwenden wollte und nicht bloß die Mitvergangenheit?

PS: Es soll auch (so Seite 171 des Berichts) einen gesonderten Public Value Bericht der Landesstudios geben, der aber jedenfalls derzeit auf der ORF-Website nicht zu finden ist. Und auf Seite 237 des Berichts wird stolz vermeldet, dass der Geschäftsbericht 2007 "wieder einen detaillierten Einblick in das vergangene Geschäftsjahr" bietet. Allerdings ist auch dieser Bericht auf der Website des ORF unauffindbar.
Update 11.12.2008: auf Anfrage wurde mir von der Pressestelle des ORF bestätigt, dass es diese beiden Berichte (Landesstudios und Geschäftsbericht) geben wird, dass sie aber derzeit noch nicht verfügbar sind und auch noch nicht genau gesagt werden kann, wann sie auf der Website abrufbar sein werden.

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