Thursday, April 02, 2009

EuGH bestätigt EuG: Verdrängungspreise der France Télécom

Mit Entscheidung vom 16.7.2003, COMP/38.233 — Wanadoo Interactive, hatte die Kommission einen Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung durch Wanadoo Interactive (mittlerweile France Télécom) durch Anwendung von Verdrängungspreisen ("predatory pricing") festgestellt. Das EuG wies die dagegen erhobene Klage der France Télécom mit Urteil vom 30.1.2007, T-340/03 (siehe dazu hier) ab. Auch dagegen erhob France Télécom ein Rechtsmittel - und durfte nach den Schlussanträgen des Generalanwalts (siehe dazu hier) auch hoffen, damit erfolgreich zu sein.

Mit seinem heutigen Urteil in der Rechtssache C-202/07 P France Télécom SA / Kommission hat der EuGH jedoch - entgegen den Schlussanträgen des Generalanwalts - das Rechtsmittel der France Télécom zurückgewiesen. Die Entscheidung stützt sich sehr weitgehend auf formale Erwägungen und weist zB einige Ausführungen der Klägerin schon deshalb zurück, weil es sich um die bloße Wiederholung von Argumenten aus dem Verfahren vor dem EuG handelte, oder auch weil die nun aufgegriffenen Rechtsmittelgründe vor dem EuG noch nicht geltend gemacht wurden.
Zentrale inhaltliche Aussagen finden sich in den Rz 103 bis 117, in denen sich der EuGH mit der Frage auseinandersetzt, ob der Vorwurf missbräuchlicher Verdrängungspreise nur dann gerechtfertigt ist, wenn auch nachgewiesen werden kann, dass das Unternehmen letztlich seine Verluste aus dieser Preispolitik - nach dem Marktaustritt der verdrängten Mitbewerber - wieder ausgleichen werde können. Dies ist nach Ansicht des EuGH nicht der Fall:

"110 Entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin ergibt sich damit aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht, dass der Nachweis eines möglichen Ausgleichs der Verluste, die ein Unternehmen in beherrschender Stellung durch die Anwendung von Preisen unter einem bestimmten Kostenniveau erleidet, eine notwendige Voraussetzung für die Feststellung der Missbräuchlichkeit einer solchen Preispolitik ist. ...
111 Diese Auslegung schließt es wohlgemerkt nicht aus, dass die Kommission die entsprechende Möglichkeit des Verlustausgleichs als für die Beurteilung der Missbräuchlichkeit der fraglichen Praxis relevanten Umstand ansehen kann, da sie z. B. dazu beitragen kann, im Fall der Anwendung von Preisen unter den durchschnittlichen variablen Kosten andere wirtschaftliche Begründungen als die Verdrängung eines Mitbewerbers auszuschließen oder im Fall der Anwendung von Preisen, die unter den durchschnittlichen Gesamtkosten, aber über den durchschnittlichen variablen Kosten liegen, die Existenz eines Plans zur Verdrängung eines Mitbewerbers zu belegen.
112
Im Übrigen reicht das Fehlen jeder Verlustausgleichsmöglichkeit nicht aus, um auszuschließen, dass es dem fraglichen Unternehmen gelingt, seine beherrschende Stellung infolge insbesondere des Austritts eines oder mehrerer Mitbewerber aus dem Markt zu verstärken, so dass das Maß des auf dem Markt herrschenden Wettbewerbs, der gerade durch die Anwesenheit des fraglichen Unternehmens bereits geschwächt ist, weiter verringert wird, und dass die Verbraucher aufgrund der Begrenzung ihrer Wahlmöglichkeiten geschädigt werden.
113 Das Gericht [EuG] hat daher in Randnr. 228 des angefochtenen Urteils zu Recht den Schluss gezogen, dass der Nachweis eines möglichen Verlustausgleichs keine notwendige Vorbedingung für die Feststellung ist, dass Verdrängungspreise praktiziert werden."

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