(Werbe)Fenster zu - es zieht (Geld ab)?
100 Millionen Euro sind in einer Diskussion über den ORF offenbar kein Geld - und ich meine jetzt nicht den vom Generaldirektor in dieser Größenordnung prognostizierten Jahresverlust 2008. Um gerade einmal 100 Millionen Euro unterscheiden sich nämlich auch jene Beträge, die innerhalb der letzten paar Tage von Ex-ORF-Generalintendant Gerhard Weis (im profil) einerseits und von ORF-Redakteur Armin Wolf (im Standard) andererseits über die Ausgaben für "österreichische" Werbung in "Werbefenstern" deutscher Privatsender genannt wurden.
Weis: "Rund 300 Millionen Euro (!) fließen jährlich (!) aus dem österreichischen Werbetopf zu ausländischen Privatsendern, die kaum nennenswerte Gegenleistungen für Österreich erbringen." (Rufzeichen im Original) Er führt das auf das ORF-Gesetz 2001 zurück und meint, dass die "Reparatur dieser und vieler anderer Bestimmungen dieses Gesetzes ... im Interesse aller österreichischen Medien dringend notwendig" scheint.
Armin Wolf schreibt: "Ähnlich unbeteiligt schaut man dabei zu, wie weitere 200 Millionen jährlich in den Werbefenstern deutscher Kommerz-Programme versendet werden, ohne dass dafür auch nur zehn Minuten Österreich-relevantes Programm entstehen. Eine Menge Themen also, für die Politiker durchaus zuständig wären."
Das Interview mit Gerhard Weis ordnete ich zunächst einmal gedanklich der Rubrik "News from the Nonsense Department" zu (als ich vor vielen Jahren noch regelmäßig den New Yorker las, gab es dort unter dieser Überschrift gelegentlich Notizen mit skurrilen Meldungen anderer Medien). Zwar ist es eigentlich bestürzend, welche Vorstellungen sich ein Ex-ORF-GD (der das Unternehmen in Zeiten der Mitgliedschaft Österreichs in der EU geführt hat!) über die gemeinschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen des Fernsehens macht, aber die Wahrscheinlichkeit, dass Weis bei einer Änderung des ORF-Gesetzes eine wesentliche Rolle spielen wird, dürfte doch eher gering sein.
Der Beitrag von Armin Wolf zeigt aber, dass die Weis'schen Fehlvorstellungen auch bei einer jüngeren, kritischen ORF-Generation verankert sind. Zwar sind es bei ihm hundert Millionen weniger, die an deutsche Kommerz-Programme fließen*), aber der Ansatz ist gleich: Politiker (also wohl Regierung und/oder Abgeordnete) sollen etwas dagegen tun. Unklar bleibt, wie sich Armin Wolf das vorstellt: soll das seit Jahrzehnten geltende Sendestaatsprinzip (nunmehr Art 2 der Mediendienste-RL, früher der Fernseh-RL) aufgegeben werden? Davon müsste erst einmal die Kommission und dann eine qualifizierte Mehrheit im Rat und das Parlament überzeugt werden. Da scheint die zweite Möglichkeit fast schon ähnlich realistisch: Austritt aus der EU, oder zumindest Abschaffung des Grundsatzes der Dienstleistungsfreiheit.
Auch bei den Hinweisen auf die Landeshauptleute und die Bundesregierung ist Armin Wolf nicht ganz bei den Fakten (aber vielleicht hält er es mit seinem TV-Chefredakteur Amon, der eine "tatsachennahe" Berichterstattung einforderte): einerseits gehen natürlich keine 34% der "ORF-Gebühren" (die es gar nicht gibt) an Land und Bund, sondern es werden gemeinsam mit dem Programmentgelt, und von der einhebenden ORF-Tochtergesellschaft klar ausgewiesen, die Rundfunkgebühren und (teilweise) Landesabgaben eingehoben, und andererseits zeigt sich auch "die Bundesregierung" nicht großzügig bei der Befreiung sozial Schwacher, schon gar nicht auf Kosten des ORF (siehe dazu schon näher hier). Der ORF - auch hier der Stiftungsrat - hat es in der Hand, die Programmentgelte anzupassen, ein Ausreden auf die gesetzlich (also nicht von der Regierung) vorgesehenen, seit langem im Wesentlichen unveränderten Befreiungen schiebt die Verantwortung gerade den "Politikern" zu, deren Einmischung sich Wolf sonst (zurecht) verbietet.
*) Fraglich scheint, ob die 300 oder 200 Millionen stimmen, oder ob es nicht um andere Beträge geht. Harald Fidler schreibt in seinem Buch von brutto(!) 180 Millionen; Walter Zinggl von der ORF-Enterprise wurde Anfang September dazu so zitiert: "Es sei den Vermarktungsagenturen der deutschen Werbefenster vergönnt, sich an ihrem Bruttoumsatz zu erfreuen. Nichtsdestotrotz, wer den Werbemarkt und seine Usancen kennt, weiß auch um seine Messgrößen". Schließlich wäre auch zu prüfen, was es mit dem angeblich völlig fehlenden Österreich-relevanten Programm auf sich hat.
Weis: "Rund 300 Millionen Euro (!) fließen jährlich (!) aus dem österreichischen Werbetopf zu ausländischen Privatsendern, die kaum nennenswerte Gegenleistungen für Österreich erbringen." (Rufzeichen im Original) Er führt das auf das ORF-Gesetz 2001 zurück und meint, dass die "Reparatur dieser und vieler anderer Bestimmungen dieses Gesetzes ... im Interesse aller österreichischen Medien dringend notwendig" scheint.
Armin Wolf schreibt: "Ähnlich unbeteiligt schaut man dabei zu, wie weitere 200 Millionen jährlich in den Werbefenstern deutscher Kommerz-Programme versendet werden, ohne dass dafür auch nur zehn Minuten Österreich-relevantes Programm entstehen. Eine Menge Themen also, für die Politiker durchaus zuständig wären."
Das Interview mit Gerhard Weis ordnete ich zunächst einmal gedanklich der Rubrik "News from the Nonsense Department" zu (als ich vor vielen Jahren noch regelmäßig den New Yorker las, gab es dort unter dieser Überschrift gelegentlich Notizen mit skurrilen Meldungen anderer Medien). Zwar ist es eigentlich bestürzend, welche Vorstellungen sich ein Ex-ORF-GD (der das Unternehmen in Zeiten der Mitgliedschaft Österreichs in der EU geführt hat!) über die gemeinschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen des Fernsehens macht, aber die Wahrscheinlichkeit, dass Weis bei einer Änderung des ORF-Gesetzes eine wesentliche Rolle spielen wird, dürfte doch eher gering sein.
Der Beitrag von Armin Wolf zeigt aber, dass die Weis'schen Fehlvorstellungen auch bei einer jüngeren, kritischen ORF-Generation verankert sind. Zwar sind es bei ihm hundert Millionen weniger, die an deutsche Kommerz-Programme fließen*), aber der Ansatz ist gleich: Politiker (also wohl Regierung und/oder Abgeordnete) sollen etwas dagegen tun. Unklar bleibt, wie sich Armin Wolf das vorstellt: soll das seit Jahrzehnten geltende Sendestaatsprinzip (nunmehr Art 2 der Mediendienste-RL, früher der Fernseh-RL) aufgegeben werden? Davon müsste erst einmal die Kommission und dann eine qualifizierte Mehrheit im Rat und das Parlament überzeugt werden. Da scheint die zweite Möglichkeit fast schon ähnlich realistisch: Austritt aus der EU, oder zumindest Abschaffung des Grundsatzes der Dienstleistungsfreiheit.
Auch bei den Hinweisen auf die Landeshauptleute und die Bundesregierung ist Armin Wolf nicht ganz bei den Fakten (aber vielleicht hält er es mit seinem TV-Chefredakteur Amon, der eine "tatsachennahe" Berichterstattung einforderte): einerseits gehen natürlich keine 34% der "ORF-Gebühren" (die es gar nicht gibt) an Land und Bund, sondern es werden gemeinsam mit dem Programmentgelt, und von der einhebenden ORF-Tochtergesellschaft klar ausgewiesen, die Rundfunkgebühren und (teilweise) Landesabgaben eingehoben, und andererseits zeigt sich auch "die Bundesregierung" nicht großzügig bei der Befreiung sozial Schwacher, schon gar nicht auf Kosten des ORF (siehe dazu schon näher hier). Der ORF - auch hier der Stiftungsrat - hat es in der Hand, die Programmentgelte anzupassen, ein Ausreden auf die gesetzlich (also nicht von der Regierung) vorgesehenen, seit langem im Wesentlichen unveränderten Befreiungen schiebt die Verantwortung gerade den "Politikern" zu, deren Einmischung sich Wolf sonst (zurecht) verbietet.
*) Fraglich scheint, ob die 300 oder 200 Millionen stimmen, oder ob es nicht um andere Beträge geht. Harald Fidler schreibt in seinem Buch von brutto(!) 180 Millionen; Walter Zinggl von der ORF-Enterprise wurde Anfang September dazu so zitiert: "Es sei den Vermarktungsagenturen der deutschen Werbefenster vergönnt, sich an ihrem Bruttoumsatz zu erfreuen. Nichtsdestotrotz, wer den Werbemarkt und seine Usancen kennt, weiß auch um seine Messgrößen". Schließlich wäre auch zu prüfen, was es mit dem angeblich völlig fehlenden Österreich-relevanten Programm auf sich hat.
Labels: AVMD-RL, ORF, Rundfunkrecht
1 Comments:
Danke, dass war genau das, was ich mir beim Lesen gedacht habe.
Ich hätte dem Herrn Wolf in Hinblick auf diese beiden Punkte mehr Kompetenz zugetraut, vor allem hatte er ja Zeit genug, sich zu überlegen, was er schreibt. Jedenfalls ein Bärendienst, wenn man in der derzeitigen Situation nur zu einem unqualifizierten Rundumschlag á lá "alle anderen sind schuld" fähig ist und - zumindest hinsichtlich der deutschen Programmfenster - offenkundig dem Zustand der 70-er Jahre nachweint.
Ganz abgesehen davon, dass auch bei den beiden privaten österreichischen bundesweiten terrestrischen Veranstaltern die Eigentümer nicht unbedingt im Inland sitzen; diese "Fenster" ziehen aber ausweislich der Jahresabschlüsse bekanntlich eher Geld aus dem Ausland an als dorthin ab :-)
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