Thursday, January 31, 2008

10 Fragen, 1 Antwort: EuGH-Urteil Centro Europa 7

Das italienische System der Lizenz- und Frequenzvergabe für Fernsehveranstalter ist reichlich komplex, und mit dem Übergang von analoger auf digitale Übertragung wurde es nicht gerade vereinfacht. Im Jahr 1997 - Berlusconi war gerade nicht an der Macht - wurden Neuregelungen für Frequenzvergaben beschlossen, die zum Marktzutritt neuer Betreiber hätten führen sollen; auch sollten Betreiber, die bestimmte Konzentrationsschwellen überschritten, terrestrische Frequenzen freimachen. Nach dem Machtwechsel zurück zu Berlusconi wurden diese Regelungen im Wesentlichen wieder zurückgenommen und bestehende Veranstalter konnten weiter analog senden, auch wenn sie die Konzentrationsschwellen überschritten. So kam es, dass der lokale Sender Centro Europa 7 zwar 1999 (vor Berlusconi) eine Lizenz erhalten hatte, aber nicht terrestrisch auf Sendung gehen konnte, weil er in der Folge keine Frequenzen zugeteilt erhielt, während die alteingessenen Betreiber weiter senden konnten. Die Klage von Centro Europa 7 auf Zuteilung von Frequenzen kam schließlich vor den Staatsrat, der dem EuGH zehn Fragen vorlegte, die schon von Generalanwalt Maduro als "in mehrfacher Hinsicht problematisch formuliert" bezeichnet wurden (siehe dazu hier bzw. hier).

Heute hat der EuGH in dieser Sache (C-380/05 Centro Europa 7) sein Urteil verkündet. Von den zehn Fragen wurden einige als unzulässig beurteilt und die anderen so zusammengefasst, dass eine Antwort genügte. Die Antwort ist auch vergleichsweise deutlich ausgefallen:

Art. 49 EG und – ab ihrem Anwendungsbeginn – Art. 9 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie (2002/21/EG), Art. 5 Abs. 1 und 2 Unterabs. 2 und Art. 7 Abs. 3 der Genehmigungsrichtlinie (2002/20/EG) sowie Art. 4 der Wettbewerbsrichtlinie (2002/77/EG) sind dahin auszulegen, dass sie im Bereich des Fernsehrundfunks nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, deren Anwendung dazu führt, dass ein Betreiber, der Inhaber einer Konzession ist, in Ermangelung von auf der Grundlage objektiver, transparenter, nichtdiskriminierender und angemessener Kriterien zugeteilten Sendefrequenzen nicht senden kann.

Eine Situation wie sie in Italien gegeben war, dass den bestehenden Betreibern ein ausschließliches Recht auf Funkfrequenzen eingeräumt wird, ohne die diesen Betreibern gewährte Vorzugsbehandlung zeitlich zu begrenzen und ohne eine Verpflichtung zur Rückgabe der überschüssigen Funkfrequenzen nach dem Übergang zum digitalen Fernsehrundfunk vorzusehen, ist damit jedenfalls nicht mit Art 49 EG bzw. dem neuen Rechtsrahmen, der diesbezüglich Art 49 EG für den Bereich der Fernsehrundfunkübertragungen umsetzt (RNr. 85) vereinbar.

Das "Fortbestehen einer Situation, in der die Rechte von Neueinsteigern angesichts der festgeschriebenen Rechte der Altbetreiber wertlos werden", wie dies der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen beschrieben hat, ist damit unzulässig. Unter Bezugnahme auf seine Placanica-Rechtsprechung führt der EuGH auch aus, dass eine Regelung, die die Zahl der Betreiber im nationalen Hoheitsgebiet begrenzt, aus im Interesse der Allgemeinheit liegenden Zielen gerechtfertigt werden kann, soweit die sich daraus ergebenden Beschränkungen angemessen sind und nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist. Art. 1 Abs. 3 der Rahmenrichtlinie erlaubt es auch ausdrücklich, im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht Bestimmungen zur Verfolgung von im Interesse der Allgemeinheit liegenden Zielen, insbesondere in Bezug auf die audiovisuelle Politik, zu erlassen oder beizubehalten. Eine nationale Regelung ist aber nur dann gerechtfertigt, wenn sie auch auf der Grundlage objektiver, transparenter, nichtdiskriminierender und angemessener Kriterien ausgestaltet wird (RNr. 100-103).

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