Monday, January 19, 2009

Gerhard Zeiler: "Now is the time to think big"

Die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Fernsehens beschäftigt auch Gerhard Zeiler, CEO der RTL Gruppe. An der Übernahme des österreichischen öffentlichen-rechtlichen Programms ORF 1 hat RTL zwar - nach eigenen Angaben - kein Interesse, und dass Zeiler selbst an die ORF-Spitze zurückkehren soll, ist wohl auch nur ein stets wiederkehrendes Gerücht, aber im Vereinigten Königreich gibt es ernste Überlegungen, den in Schieflage geratenen öffentlich-rechtlichen "Channel 4" zu übernehmen (oder besser: mit dem RTL-Sender Five zu fusionieren). Nachdem Gespräche zwischen Channel 4 und Five-Vertretern im Dezember noch nicht bestätigt wurden, ist seit einigen Tagen auch öffentlich bekannt, dass Luke Johnson, Chairman von Channel 4, mit RTL-Chef Zeiler im Dezember Geheimgespräche über eine Fusion führte - mit ausdrücklicher Unterstützung durch den britischen Medienminister, Ex-Ofcom-Chef Stephen - nun: Lord - Carter.

Und heute hat sich Zeiler mit einem Kommentar in der Financial Times selbst zu Wort gemeldet, um Werbung für eine Fusion zwischen Channel 4 und Five zu machen. Der Zeitpunkt ist günstig, denn Channel 4 hat massive Finanzprobleme. Eine geplante staatliche Beihilfe in der Höhe von 14 Mio Pfund, die im Zusammenhang mit der Digitalisierung gewährt werden sollte, war letztes Jahr auf Kritik in der Kommission gestoßen; nach der Aufforderung zur Abgabe einer Stellungnahme (siehe dazu auch die Presseaussendung: Commission opens inquiry sowie die case site) hat sich die britische Regierung nämlich entschlossen, dieses Projekt nicht weiterzuverfolgen (siehe einen Bericht im Guardian) - nach dem Motto: es zahlt sich gar nicht aus, um die 14 Mio Pfund zu streiten, wenn Channel 4 doch eher 150 Mio Pfund Staatshilfe benötigen würde.

Nicht erst seit damals steht eine Privatisierung von Channel 4 im Raum (siehe etwa den Beitrag von Maggie Brown im Guardian-Blog vom 3. Dezember 2008) - was auch in einer Studie der beiden Ex-Ofcom-Leute Kip Meek und Robin Foster (Public Service Broadcasting in the UK - A Longer Term View) vom vergangenen November nicht ausgeschlossen wurde. Interessant dabei: finanziell unterstützt wurde dieses Werk von der BBC und von Five. Meek und Foster kamen unter anderem zu folgendem Ergebnis: "Now is not the time for any significant increase in direct spend on PSB; indeed, over time its cost to the nation may reduce." Wesentliche Policy-Implications in der Studie von Meek/Foster lauten:

  • High-speed broadband provision should be prioritised ahead of any new PSB interventions
  • There should be tight scrutiny of any new claims for increased funding of PSB
  • A limited number of “market-tuning” and“market-changing” interventions should be considered to ensure plurality of PSB provision and maintain content standards
  • A fair and transparent approach to awarding PSB contracts is needed, including an element of contestability in some cases
Überhaupt ist die Breitbandversorgung für Meek und Foster wichtiger als die Content-Finanzierung - in der Zusammenfassung heißt es zu dieser Studie:
"It argues that the expansion of access to high-speed broadband will unlock the potential for the market to deliver much more public service content than in the old linear broadcasting world, and that a new balance of markets and public intervention will therefore be needed to secure key public policy objectives in the future."
Jeff Jarvis auf BuzzMachine bringt diesen Gedanken (ohne ausdrücklichen Bezug zu Meek/Foster) so auf den Punkt: "To hell with public-service broadcasting. How about public-service connectivity?"

PS: noch ein paar Überlegungen zu den Optionen betreffend Channel 4 aus britischen Medien: BBC-Partnership (Guardian), Options narrowing (FT), Channel 4's targeting of BBC Worldwide (Guardian); Why Channel 4's future is tied to 'broadband for all' (Guardian) ;
update 20.1.: Channel 4-CEO Andy Duncan antwortet in der FT (lesenswert dazu Vicky Frost im Guardian)

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