Thursday, January 15, 2009

Abschied vom "ORF-Sendernetz" - das Ende der vertikalen Integration des ORF?

Noch hält der ORF die Mehrheit an der ORS (Österreichische Rundfunksender GmbH & Co KG), die das frühere ORF-Sendernetz betreibt. Doch nicht nur diverse Ankündigungen (von Raiffeisen genauso wie vom ORF) lassen erwarten, dass sich das sehr bald ändern könnte. Zwar hat ORF-Generaldirektor Wrabetz noch vor einem Monat behauptet, dass ein Anteilsverkauf an der ORS "im Strategiekonzept im Frühjahr zu beantworten" sein werde und dies jedenfalls kurzfristig "nicht vorgesehen" sei, doch mit dem damals schon bekannten Engagement in Bulgarien scheint mir dies nur schwer vereinbar. Immerhin soll die ORS das komplette Netz an Rundfunksendern in Bulgarien übernehmen (siehe Pressemitteilungen hier oder hier).

Nach § 2 Abs 2 ORF-G ist der ORF "zur Gründung von Tochtergesellschaften und zur Beteiligung an anderen Unternehmen im In- und Ausland berechtigt, sofern diese den gleichen Unternehmensgegenstand haben oder der Unternehmensgegenstand gemäß Abs. 1 dies erfordert." Der Bundeskommunikationssenat hat sich mit dieser Frage aus einem anderen Anlass schon eingehend auseinandergesetzt und ist dabei zu folgendem Ergebnis gekommen:
"Die Grenze zwischen nach dem Unternehmensgegenstand gemäß § 2 Abs. 1 Z 2 letzter Fall ORF-G zulässigen über den öffentlichen Auftrag hinausgehenden Tätigkeiten und Tätigkeiten, die auch als über den öffentlichen Auftrag hinausgehende Tätigkeiten vom Unternehmensgegenstand gemäß dieser Bestimmung nicht mehr erfasst sind, liegt dort, wo der Betrieb bestimmter technischer Einrichtungen als solcher für die Veranstaltung von Rundfunk im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 1 ORF-G nicht mehr notwendig ist. ... Die Grenze ist aber jedenfalls dort überschritten, wo bestimmte Technologien oder Netzwerke größeren Umfangs ausschließlich für die Zurverfügungstellung an Dritte errichtet und betrieben werden sollen." (Hervorhebung hinzugefügt)
Legt man diese Sichtweise des BKS zugrunde, so scheint der Betrieb eines Sendernetzes in Bulgarien wohl nicht mehr vom gesetzlich vorgesehenen Unternehmensgegenstand des ORF oder seiner Tochtergesellschaften gedeckt. Damit wäre aber - falls die veröffentlichten Pressemeldungen den Sachverhalt zutreffend schildern - auch die Beibehaltung einer Sperrminorität an der ORS (die hier noch erwartet wurde) für den ORF nicht mehr mit § 2 ORF-G, wie er vom BKS ausgelegt wird, vereinbar.

Der Stiftungsrat hat bei seiner Sitzung im vergangenen November der Expansion nach Bulgarien zugestimmt; dass ihm die rundfunkrechtlichen Implikationen im Hinblick auf den ORF-Unternehmensgegenstand dabei nicht bekannt waren, sollte auszuschließen sein. Somit ist wohl anzunehmen, dass der Verkauf der Mehrheit an der ORS auch vom Stiftungsrat schon zumindest implizit akzeptiert wurde und der ORF demnächst die Beteiligung an der ORS auf 25% oder weniger zurücknimmt (eine Beteiligung an Unternehmen mit anderem Unternehmensgegenstand ist dem ORF nämlich - zur Vermögensveranlagung!- nach § 2 Abs 2 ORF-G gestattet, sofern die Beteiligung an diesen Unternehmen 25% nicht übersteigt).

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