ORF: unternehmensinterne PolitikerInnen?
Es könnte eine Serie werden: wie Österreichs größtes Kommunikationsunternehmen kommuniziert (siehe bisher etwa hier und hier). Aktuelles Beispiel: wie reagiert der ORF auf die Bitte nach Übermittlung des Jahresberichts gemäß § 8 ORF-Gesetz und des "Strategie- und Strukturkonzepts"?
Sozusagen im Selbstversuch habe ich vor gut einer Woche folgende E-Mail an den ORF-Kundendienst geschrieben:
Sozusagen im Selbstversuch habe ich vor gut einer Woche folgende E-Mail an den ORF-Kundendienst geschrieben:
"Leider kann ich auf Ihrer Website weder den aktuellen Jahresbericht nach § 8 Abs 1 ORF-Gesetz noch das in letzter Zeit diskutierte 'Strategie- und Strukturkonzept' des ORF finden. Da beide Dokumente wohl öffentlich zugänglich sein sollten, ersuche ich Sie, mir diese (am einfachsten per e-mail: [...]) zu übersenden."*Heute bekam ich darauf folgende Antwort:
"Ich bedanke mich für Ihre E-Mail und Ihr Interesse an unserem Programm. Gerne übermittle ich Ihnen den Link, dem folgend Sie unseren aktuellen Geschäftsbericht finden:http://kundendienst.orf.at/service/publikationen/gb_2007.html
Zum Jahr 2008 gibt es bis jetzt lediglich diese Zusammenfassung:
http://kundendienst.orf.at/unternehmen/menschen/gremien/jahresergebnis.html
Das angesprochene Strategie-Papier ist leider nicht öffentlich zugänglich, da es sich hier um ein unternehmensinternes Konzept handelt. Diesbezüglich bitte ich um Ihr Verständnis!"*
Was den Jahresbericht anlangt, ist es ein Déjà-vu: auch 2005 und 2007 habe ich angefragt und auch damals bekam ich praktisch gleichlautende Antworten, in denen der Jahresbericht nach § 8 ORF-Gesetz mit dem ORF-Geschäftsbericht verwechselt wurde. Der Jahresbericht - immerhin das zentrale Instrument, mit dem der ORF nach dem Konzept des ORF-Gesetzes die Erfüllung seiner öffentlich-rechtlichen Aufträge dokumentiert (Harald Fidler im Standard ist diesbezüglich skeptisch) - ist im ORF-Kundendienst schlicht unbekannt.
Natürlich kann man den Bericht bekommen, wenn man hartnäckig ist und bei den richtigen Leuten (manchmal mehrfach) nachfragt, und so habe ich mittlerweile alle bisherigen Jahresberichte (bis auf den jüngsten) auch offiziell vom ORF bekommen können - auf Papier, denn elektronisch wollte die Berichte noch nie jemand weitergeben. Offen bleibt für mich die Frage, was der ORF mit dem Verstecken seines (nach dem ORF-Gesetz) zentralen Leistungsnachweises bezweckt.
Dass ich das Strategie- und Strukturkonzept nicht bekommen würde (jedenfalls nicht auf diesem Weg), war fast zu erwarten - interessant finde ich allerdings, dass es sich nach der Auskunft des Kundendienstes um ein unternehmensinternes Konzept handeln soll, das nicht öffentlcih zugänglich sei. Abgesehen davon, dass es (laut Standard-Bericht) im ORF-Intranet zugänglich ist (was de facto einer Veröffentlichung gleichkommt), hat es jedenfalls auch Staatssekretär Ostermayer bekommen (siehe wiederum im Standard), und auf einem in der (Online-)Presse veröffentlichten Foto von der Nationalrats-Sondersitzung am 31. März 2009 sieht man das Strategie- und Strukturkonzept zB zwischen dan Abgeordneten Glawischnig und Bucher liegen. Wenn es sich aber um ein unternehmensinternes Konzept handelt, dann stellt sich doch die Frage, welche PolitikerInnen nach Ansicht des ORF so unternehmensintern sind, dass ihnen das Dokument übermittelt wurde. Und wenn das Konzept "der Politik" übermittelt wurde (immerhin meint ja sogar der ORF-Informationsdirektor, dass "die Politik" Eigentümerfunktion habe, und auch der Stiftungsratsvorsitzende scheint dies ähnlich zu sehen), dann ist schwer verständlich, dass die Allgemeinheit - immerhin Begünstigte der Stiftung ORF - nicht wissen dürfte, wohin die Reise gehen soll. Auch hier gilt natürlich: wer wirklich will, kann sich das Konzept schon organisieren - was spräche dann aber dagegen, es gleich öffentlich zu machen?
Wie man liest, soll noch diese Woche ein Entwurf für eine Novelle zum ORF-Gesetz in Begutachtung gehen. Und obwohl ich mich sonst mit Anmerkungen dazu zurückhalte, möchte ich doch eine kleine Anregung einbringen - die Einfügung einer Bestimmung zur Transparenz, zB so
"§ ## Transparenzverpflichtung
Der ORF hat zumindest folgende Informationen auf seiner Website ### [zB. kundendienst.orf.at] zu veröffentlichen:
1. den Jahresbericht gemäß § 8 Abs 1,
2. Beschlüsse des Stifungsrates gemäß § 18,
3. Beschlüsse des Stiftungsrates gemäß § 21 Abs 1 Z 6 bis 13,
4. Maßnahmen, die nach § 21 Abs 2 Z 1, 2 und 17 der Zustimmung des Stiftungsrates bedürfen,
5. Stellenausschreibungen gemäß § 27,
6. Empfehlungen des Publikumsrates gemäß § 30,
7. das Tarifwerk des Werbefunks und die Programmentgelte gemäß § 31,
8. das Redakteursstatut gemäß § 33,
9. den Jahresabschluss und den Lagebericht sowie den Konzernabschluss und den Konzernlagebericht nach § 39 Abs 1 bis 3,
10. eine Dokumentation über die Erfüllung der Verpflichtungen gemäß § 39 Abs 4 einschließlich der genauen Angabe der Methode, nach der die Kosten und Erlöse den verschiedenen Geschäftsbereichen zugeordnet und zugewiesen werden und der Darlegung der Kostenrechnungsgrundsätze, die der getrennten Buchführung zugrunde liegen,
11. Prüfberichte gemäß §§ 40 und 41."
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*) Jeweils vollständiger Wortlaut mit Ausnahme der Gruß- und Höflichkeitsformeln bzw der Absenderangaben
Natürlich kann man den Bericht bekommen, wenn man hartnäckig ist und bei den richtigen Leuten (manchmal mehrfach) nachfragt, und so habe ich mittlerweile alle bisherigen Jahresberichte (bis auf den jüngsten) auch offiziell vom ORF bekommen können - auf Papier, denn elektronisch wollte die Berichte noch nie jemand weitergeben. Offen bleibt für mich die Frage, was der ORF mit dem Verstecken seines (nach dem ORF-Gesetz) zentralen Leistungsnachweises bezweckt.
Dass ich das Strategie- und Strukturkonzept nicht bekommen würde (jedenfalls nicht auf diesem Weg), war fast zu erwarten - interessant finde ich allerdings, dass es sich nach der Auskunft des Kundendienstes um ein unternehmensinternes Konzept handeln soll, das nicht öffentlcih zugänglich sei. Abgesehen davon, dass es (laut Standard-Bericht) im ORF-Intranet zugänglich ist (was de facto einer Veröffentlichung gleichkommt), hat es jedenfalls auch Staatssekretär Ostermayer bekommen (siehe wiederum im Standard), und auf einem in der (Online-)Presse veröffentlichten Foto von der Nationalrats-Sondersitzung am 31. März 2009 sieht man das Strategie- und Strukturkonzept zB zwischen dan Abgeordneten Glawischnig und Bucher liegen. Wenn es sich aber um ein unternehmensinternes Konzept handelt, dann stellt sich doch die Frage, welche PolitikerInnen nach Ansicht des ORF so unternehmensintern sind, dass ihnen das Dokument übermittelt wurde. Und wenn das Konzept "der Politik" übermittelt wurde (immerhin meint ja sogar der ORF-Informationsdirektor, dass "die Politik" Eigentümerfunktion habe, und auch der Stiftungsratsvorsitzende scheint dies ähnlich zu sehen), dann ist schwer verständlich, dass die Allgemeinheit - immerhin Begünstigte der Stiftung ORF - nicht wissen dürfte, wohin die Reise gehen soll. Auch hier gilt natürlich: wer wirklich will, kann sich das Konzept schon organisieren - was spräche dann aber dagegen, es gleich öffentlich zu machen?
Wie man liest, soll noch diese Woche ein Entwurf für eine Novelle zum ORF-Gesetz in Begutachtung gehen. Und obwohl ich mich sonst mit Anmerkungen dazu zurückhalte, möchte ich doch eine kleine Anregung einbringen - die Einfügung einer Bestimmung zur Transparenz, zB so
"§ ## Transparenzverpflichtung
Der ORF hat zumindest folgende Informationen auf seiner Website ### [zB. kundendienst.orf.at] zu veröffentlichen:
1. den Jahresbericht gemäß § 8 Abs 1,
2. Beschlüsse des Stifungsrates gemäß § 18,
3. Beschlüsse des Stiftungsrates gemäß § 21 Abs 1 Z 6 bis 13,
4. Maßnahmen, die nach § 21 Abs 2 Z 1, 2 und 17 der Zustimmung des Stiftungsrates bedürfen,
5. Stellenausschreibungen gemäß § 27,
6. Empfehlungen des Publikumsrates gemäß § 30,
7. das Tarifwerk des Werbefunks und die Programmentgelte gemäß § 31,
8. das Redakteursstatut gemäß § 33,
9. den Jahresabschluss und den Lagebericht sowie den Konzernabschluss und den Konzernlagebericht nach § 39 Abs 1 bis 3,
10. eine Dokumentation über die Erfüllung der Verpflichtungen gemäß § 39 Abs 4 einschließlich der genauen Angabe der Methode, nach der die Kosten und Erlöse den verschiedenen Geschäftsbereichen zugeordnet und zugewiesen werden und der Darlegung der Kostenrechnungsgrundsätze, die der getrennten Buchführung zugrunde liegen,
11. Prüfberichte gemäß §§ 40 und 41."
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*) Jeweils vollständiger Wortlaut mit Ausnahme der Gruß- und Höflichkeitsformeln bzw der Absenderangaben
Labels: Jahresbericht, ORF, ORF-G, Rundfunkrecht, Stiftungsrat
1 Comments:
Da ich keinen besseren Platz finde, meinen - reichlich verspäteten - Kommentar zu Ihrem Leserbrief im Falter (zu A.T's ORF-Leitartikel) zu deponieren, tu ich es hier: Der war wirklich gut.
Grüße!
Thomas Höhne
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