"Parachuting in" - Umbau der Regulierungsbehörde?
Angeblich haben sich SPÖ und ÖVP wieder einmal auf das Medienkapitel für ein gemeinsames Regierungsprogramm geeinigt (auch wenn es noch nicht klar ist, ob eine gemeinsame Regierung zustandekommt - aber auch das ist ja nicht wirklich neu).
Und wieder einmal soll es dabei auch Änderungen für die Medienbehörde geben, die "künftig nach europäischem Vorbild neu aufgestellt werden" soll.
Sollte das mit dem "europäischen Vorbild" ernst gemeint sein, dann scheint mir die Aufgabe nicht ganz einfach, denn die Medienbehörden bieten in Europa ein ziemlich vielfältiges Bild. Soll das Vorbild der französische CSA sein, der unter anderem die Einhaltung der Sprachregelungen und des Mindestanteils an französischen Chansons im Programm überwacht und sekundengenau über die Redezeit von Politikern im Fernsehen Buch führt? Die wunderbare Welt der Gremien, Räte und Kommissionen der deutschen Landesmedienanstalten mit ihren staatsfernen Präsidenten oder Direktoren, die bloß ganz zufällig früher in den Staats- bzw. Senatskanzleien tätig waren (zb Ring, Langheinrich, Hege, Schneider, etc.)? Oder orientiert man sich eher am technokratisch ausgerichteten britischen Ofcom, das wie ein Consulting-Business, mit geschäftsführenden und nicht geschäftsführenden Board-Mitgliedern, geführt wird? Nicht nur die Strukturen, auch die Aufgaben der Medienbehörden sind in fast jedem europäischen Land verschieden (vor allem auch in der Frequenzverwaltung oder der Aufsicht über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk).
Aber der Zeitung kann man auch entnehmen, dass die neue Medienbehörde "aus vier Senaten bestehen [soll], von denen einer für den ORF zuständig ist. Diese Kompetenz liegt bisher beim Bundeskommunikationssenat BKS. Die weiteren Senate sollen über die privaten Anbieter, die Telekom beziehungsweise die Post wachen."
Soll also eine Regulierungsbehörde für Rundfunk, Telekom und Post zuständig sein, dann bleibt wohl nur mehr ein anderes europäisches Land als Vorbild: Slowenien. Die Agencija za pošto in elektronske komunikacije (APEK), mit einem von der Regierung bestellten Direktor und zwei unabhängigen Kommissionen (eine für Rundfunk und eine für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste), reguliert dort auch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und den Postmarkt.
Aber wahrscheinlich soll das "europäische Vorbild" nicht mehr bedeuten, als dass die Medienbehörde weisungsfrei gestellt wird, womit der einschlägigen Europaratsempfehlung entsprochen wird.
Wie man den möglichen Umbau einer Regulierungsbehörde nach einer Neuwahl auch angehen kann, zeigt aktuell wieder ein Blick in die USA. Das Übergangsteam des kommenden Präsidenten hat ein "FCC Agency Review Team" zusammgestellt, geleitet von Susan Crawford (in diesem Blog schon hier kurz vorgestellt) und Kevin Werbach, zwei Uni-Professoren mit einschlägiger praktischer Erfahrung. In der stets etwas martialisch formulierenden amerikanischen Presse werden die Agency Review Teams mit Luftlandetruppen verglichen, die ab kommender Woche abgesetzt werden: "parachuting in".
Und wieder einmal soll es dabei auch Änderungen für die Medienbehörde geben, die "künftig nach europäischem Vorbild neu aufgestellt werden" soll.
Sollte das mit dem "europäischen Vorbild" ernst gemeint sein, dann scheint mir die Aufgabe nicht ganz einfach, denn die Medienbehörden bieten in Europa ein ziemlich vielfältiges Bild. Soll das Vorbild der französische CSA sein, der unter anderem die Einhaltung der Sprachregelungen und des Mindestanteils an französischen Chansons im Programm überwacht und sekundengenau über die Redezeit von Politikern im Fernsehen Buch führt? Die wunderbare Welt der Gremien, Räte und Kommissionen der deutschen Landesmedienanstalten mit ihren staatsfernen Präsidenten oder Direktoren, die bloß ganz zufällig früher in den Staats- bzw. Senatskanzleien tätig waren (zb Ring, Langheinrich, Hege, Schneider, etc.)? Oder orientiert man sich eher am technokratisch ausgerichteten britischen Ofcom, das wie ein Consulting-Business, mit geschäftsführenden und nicht geschäftsführenden Board-Mitgliedern, geführt wird? Nicht nur die Strukturen, auch die Aufgaben der Medienbehörden sind in fast jedem europäischen Land verschieden (vor allem auch in der Frequenzverwaltung oder der Aufsicht über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk).
Aber der Zeitung kann man auch entnehmen, dass die neue Medienbehörde "aus vier Senaten bestehen [soll], von denen einer für den ORF zuständig ist. Diese Kompetenz liegt bisher beim Bundeskommunikationssenat BKS. Die weiteren Senate sollen über die privaten Anbieter, die Telekom beziehungsweise die Post wachen."
Soll also eine Regulierungsbehörde für Rundfunk, Telekom und Post zuständig sein, dann bleibt wohl nur mehr ein anderes europäisches Land als Vorbild: Slowenien. Die Agencija za pošto in elektronske komunikacije (APEK), mit einem von der Regierung bestellten Direktor und zwei unabhängigen Kommissionen (eine für Rundfunk und eine für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste), reguliert dort auch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und den Postmarkt.
Aber wahrscheinlich soll das "europäische Vorbild" nicht mehr bedeuten, als dass die Medienbehörde weisungsfrei gestellt wird, womit der einschlägigen Europaratsempfehlung entsprochen wird.
Wie man den möglichen Umbau einer Regulierungsbehörde nach einer Neuwahl auch angehen kann, zeigt aktuell wieder ein Blick in die USA. Das Übergangsteam des kommenden Präsidenten hat ein "FCC Agency Review Team" zusammgestellt, geleitet von Susan Crawford (in diesem Blog schon hier kurz vorgestellt) und Kevin Werbach, zwei Uni-Professoren mit einschlägiger praktischer Erfahrung. In der stets etwas martialisch formulierenden amerikanischen Presse werden die Agency Review Teams mit Luftlandetruppen verglichen, die ab kommender Woche abgesetzt werden: "parachuting in".
Labels: FCC, Medienbehörde, regulator
4 Comments:
Ein sehr interessanter Blog-Artikel. Leider ist die "Original"-Nachricht beim Standard "aus rechtlichen Gründen" (?) nicht mehr im Volltext abrufbar. Seltsam.
Gerade wollte ich noch schreiben, dass Unabhängigkeit / Weisungsfreiheit ja sogar auf EG-Richtlinienebene vorgeschrieben ist, aber offensichtlich hat es die Vorschrift des Art. 23b Nr. 1 des ursprünglichen Kommissionsentwurfes zur AVMD-RL (siehe http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2005:0646:FIN:DE:HTML) nicht in die endgültige Fassung (http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2007:332:0027:01:DE:HTML) geschafft. Auch seltsam.
Auch interessant, dass der Artikel unter http://derstandard.at/PDA/?id=1226396841059 noch voll abrufbar ist.
@elgraf: tatsächlich funktioniert ein anderer Link noch, ich habe ihn nun ersetzt, Danke für den Hinweis. Die Verpflichtung, weisungsfreie Regulierungsbehörden einzurichten, ist in der Mediendienste-RL nicht über den Kommissionsvorschlag hinausgekommen, aber da auch der neue Artikel 23b unabhängige Regulierungsbehörden zumindest erwähnt, geht die Kommission davon aus, dass damit implizit auch vorausgesetzt wird, dass in allen Mitgliedstaaten solche unabhängigen Behörden bestehen müssen. Allerdings bedeutet "unabhängig" meines Erachtens hier nur die Unabhängigkeit von den regulierten Unternehmen, nicht notwendigerweise die Weisungsfreiheit
Anders noch der Kommissionsentwurf in seinem Erw.Gr. 47:
"Die Regulierungsbehörden sollten sowohl von nationalen Regierungen als auch von Anbietern audiovisueller Mediendienste unabhängig sein".
Jetzt gibt es natürlich verschiedene Deutungsmöglichkeiten (Das bewusste Herausnehmen als Abkehr verstehen? Das implizite Ausgehen vom Bestehen unabhängiger Behörden im ursprünglichen Sinn verstehen?). Ist die Einschätzung der Kommission aus den Materialien ersichtlich? Das Parlament hatte ja an dem ursprünglichen Art. 23b nichts Grundsätzliches auszusetzen, wenn ich es richtig sehe. Ich hätte freilich Bedenken, ob das Ganze dann überhaupt noch verbindlich umzusetzen gewesen wäre. Art. 249 Abs. 3 EGV belässt ja doch noch einen gewissen Umsetzungsspielraum bei den Mitgliedsstaaten, der bei Vorgaben über die konkrete Ausgestaltung von Behörden ziemlich stark in sich zusammenschrumpfen würde, was möglicherweise nicht mehr die Rechtmäßigkeitsanforderungen an eine nur hinsichtlich ihres Ziels verbindliche Richtlinie erfüllt.
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