ORF-Programmdirektor: "Scheiß Internet" - "aber wir verkaufen auch Klopapier"
Das mit der direkten Ansprache ist vielleicht gelungen, das mit dem technology gap und generation gap scheint der bald 65jährige Programmdirektor nicht ganz hingekriegt zu haben: Sebastian Bauer berichtet auf seinem Blog über eine nicht weiter sensationelle Veranstaltung, bis
"auf einmal Prof. Wolfgang Lorenz, der Programmdirektor Fernsehen des ORF, von einem 'scheiß Internet' zu reden beginnt. Hat er das gerade wirklich gesagt, 'scheiß Internet'? Er hat! Und wird nicht müde es zu wiederholen, er redet sich geradezu in Ekstase. Die Jugend von heute sei nicht in der Lage sich richtig zu artikulieren. Außer in Postings im Internet. Und ihm sei es 'scheißegal', was wir in diesem Internet machen würden.
Auf heftigen Widerspruch aus dem Publikum und die Feststellung, dass man im Internet interessantere Angebote finden würde als sie der ORF biete, folgte der Sager des Abends. 'Es ist mir scheißegal, ob Sie zuschauen oder nicht.' Wortwörtlich hat er es so gesagt, der Programmdirektor des ORF."
Die Darstellung wird von einem Teilnehmer der Diskussion, Heinz Wittenbrink, ausdrücklich bestätigt; die Diskussion in den Blogs ist eröffnet (zB 1, 2, 3). Die APA (hier im Standard wiedergegeben) fand die Äußerungen des ORF-Programmdirektors offenbar nicht im Wortlaut berichtenswert, sondern fasste das so zusammen: "ORF-Programmdirektor Lorenz ging auf die Medienkraft des Internet nicht wirklich ein".
Für mich sind die Aussagen des ORF-Programmdirektors nur insofern interessant, als sich wieder einmal die Frage nach der Internet-Strategie des ORF stellt - angesichts des laufenden Beihilfenverfahrens wäre eine konsistente Position des österreichischen öffentlich-rechtlichen Rundfunks vielleicht ganz angebracht. Derzeit könnte man die Position des ORF - zusammengefasst aus Aussagen des Generaldirektors und des Programmdirektors - vielleicht so zusammenfassen: "Fernsehen ist ohne Scheiß-Internet in Zukunft nicht denkbar." Und: "Scheißegal, ob wer zuschaut, die Quote ist wichtig."
Wolfgang Lorenz, der bekannt dafür ist, nicht an sich selbst zu zweifeln, und auch "nicht an eine mögliche Absturzgefahr" zu denken (und dem, eigenem Bekunden zufolge "jede Art von Publikumsverachtung zuwider" ist), konnte vor einem halben Jahr noch sagen, dass derzeit kein Mensch auf ihn losgehe. Vielleicht hat es damals gestimmt. Vielleicht stimmt es auch heute. Aber ob er heute immer noch glaubhaft behaupten kann, seine Programmreform sei "ein deutlicher Versuch, an die junge Generation anzuschließen?"
[update: 10./11.11.2008: weitere Medienberichte Die Presse, Der Standard, ChiLLi.cc; Blogs zB Bruckner, affectionista, medienpaedagogik, digiom, freshzweinull, heulnicht.6x.to, lost and found, maymar 1 - 3, lanu, datenschmutz, dasdenkfabrik.at, werbeblogger; twitter - zB diese Message; facebook; Fotos von der Diskussion]- und von monochrom: der "Wolfgang Lorenz Gedenkpreis für internetfreie Minuten"]
Labels: ORF
1 Comments:
Der Standard hat einen zusätzlichen Bericht veröffentlicht, in denen auch die ausdrucksstärkere Version zitiert wird:
http://derstandard.at/?url=/?id=1226067140991
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