Friday, November 10, 2006

VfGH: keine Verordnungserlassung durch Kollegialbehörden

Mit soeben veröffentlichtem Erkenntnis vom 6. Oktober 2006, G 151-153/05-17, V 115-117/05-17, hat der Verfassungsgerichtshof festgestellt, dass (unter anderem) § 22 Abs 5
des Übernahmegesetzes, BGBl I 1998/127, verfassungswidrig war. Nach dieser Bestimmung hatte die Übernahmekommission - eine unabhängige Kollegialbehörde im Sinne des Art 133 Z 4 B-VG - durch Verordnung nähere Voraussetzungen für das Entstehen einer kontrollierenden Beteiligung zu umschreiben.
Schon die Presseaussendung des VfGH weist darauf hin, dass es sich dabei um eine "Grundsatzentscheidung des VfGH zu Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag" handelt - es liegt daher nahe, sich die möglichen Auswirkungen auch für die Regulierungsbehörden für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste anzusehen. Wörtlich führt der VfGH aus:
"Kollegialbehörden iSd Art. 20 Abs. 2 und Art. 133 Z 4 B-VG sind ungeachtet ihrer gerichtsähnlichen Einrichtung Verwaltungsbehörden. Nach Art. 18 Abs. 2 B-VG kann jede Verwaltungsbehörde innerhalb ihres Wirkungsbereiches Verordnungen erlassen. Der Wirkungsbereich von Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag ist aber [...] kraft Verfassung auf 'Entscheidungen in oberster Instanz' beschränkt."
Und unter den Begriff "Entscheidungen" fallen in diesem Zusammenhang, wie der VfGH näher darlegt, "bloß individuelle Verwaltungsakte". Die Einräumung einer Verordnungsermächtigung an Kollegialbehörden würde auch in die Leitungsbefugnis der obersten Organe eingreifen und damit Art 20 Abs 1 B-VG verletzen.
"Im Übrigen ist es auch im Sinne des die Rechtsordnung beherrschenden demokratischen Gedankens bedenklich, die Schaffung genereller Normen, also von Akten der materiellen Gesetzgebung unabhängigen Organen zu übertragen, die - anders als bei der Verordnungserlassung durch oberste Organe und deren weisungsgebundenen nachgeordneten Organen - weder der unmittelbaren noch der mittelbaren parlamentarischen Kontrolle unterliegen."
Die Einräumung von Verordnungsermächtigungen an solche Kollegialbehörden ist daher verfassungsrechtlich nicht zulässig (es sei denn, sie wäre, wie bei der Energie-Control-Kommission, verfassungsrechtlich abgesichert, siehe § 16 E-RBG). Soweit im TKG 2003 Verordnungsermächtigungen für Regulierungsbehörden bestehen (siehe den Anhang zu dieser Übersicht), sind diese aber einerseits der RTR-GmbH, also einer dem Verkehrsminister weisungsgebundenen Behörde, und andererseits der KommAustria, einer dem Bundeskanzler weisungsgebundenen Behörde, eingeräumt. Die im Telekommunikationsbereich vorgenommene Trennung der Verordnungskompetenz für die Marktdefinition (nach § 36 TKG 2003 ist dafür die RTR-GmbH zuständig) von der Entscheidungsbefugnis in der Marktanalyse (Telekom-Control-Kommission) erweist sich somit insofern (wenn auch eher unbeabsichtigt) als vorausschauend.
Eine (minder bedeutsame) Verordnungsermächtigung für die Telekom-Control-Kommission, die im Licht der VfGH-Entscheidung nun zu prüfen wäre, besteht allerdings in § 10 Abs 6 KommAustria-Gesetz zur Festlegung von Umsatzgrenzen im Zusammenhang mit der Finanzierung der Regulierungsbehörde durch Finanzierungsbeiträge von Unternehmen (siehe die SVO-TK 2006).

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