Tuesday, September 15, 2009

Reminder: es gibt keine ORF-Enquete (und Notizen aus dem Randbereich)

Was sich ORF-Generaldirektor Wrabetz von der "Enquete zum Thema ORF und der ORF-Gesetzesnovelle" wünscht, hat er heute bekanntgegeben (zusammengefasst: € 60 Mio aus dem Budget, keine weiteren Werbebeschränkungen, Festschreiben des Online-Angebots im Gesetz [wahrscheinlich meint er: umfassender, als es ohnehin schon in § 3 Abs 5 ORF-G steht - ob die ORF-Marke "chatmania", Registernr. 236521 beim Patentamt, vielleicht doch noch mal zum Einsatz kommt?]). Nicht nur Wrabetz spricht von der "ORF-Enquete", diese Bezeichnung wird auch in vielen der ohnehin schon kaum mehr überschaubaren Statements zu diesem Thema verwendet.

Dabei wäre eine kleine Erinnerung angebracht: es gibt gar keine ORF-Enquete, sondern eine parlamentarische Enquete zum Thema "Öffentlich-rechtlicher Rundfunk - Medienvielfalt in Österreich". Da könnte es doch um mehr gehen als um den ORF, vor allem im dritten Themenblock, der der "Frage nach den Rahmenbedingungen für die Medienvielfalt in Österreich gewidmet" ist, wie es in der Aussendung der Parlamentskorrespondenz hieß. Wie wirkt sich zB der Zusammenschluss Styria/Moser Holding auf die Medienvielfalt aus, oder wie könnten die Rahmenbedingungen für Medienvielfalt - auch abseits der ORF-Geld-, -Macht- und -Posten-Diskussion gestaltet werden - auch darüber könnte gesprochen werden. Realistisch betrachtet wird sich freilich die Kurzbezeichnung "ORF-Enquete" nicht als unzutreffend erweisen, jedenfalls wenn man die Statements im Vorfeld der Enquete so studiert.

Und weil es ohnehin schon so viele Stimmen gibt, was nun mit einem novellierten/neuen ORF-Gesetz nicht alles zu machen/festzuschreiben/zu ermöglichen/zu garantieren etc. sei, muss ich nicht auch noch meinen Senf dazugeben. Eingefallen ist mir bei der Lektüre mancher Wünsche allerdings Kurt Tucholsky, der bekanntlich ausgebildeter Jurist war; er schrieb, natürlich in anderem Zusammenhang: "Nicht nur das Gesetz ist halbirre, genügt nicht den wirtschaftlichen Erfordernissen, schützt nicht die Schwachen ... die Leute erwarten auch zu viel vom Gesetz."

Ich beschränke mich daher hier auf zwei Marginalien, sozusagen zum ausgefransten Rand der Medienpolitik, nämlich zu TW1 und zur Wiener Zeitung:
1. Laut Presse steht die Umwandlung von TW1 in einen öffentlich-rechtlichen Kultur- und Infokanal "auch auf Wrabetz' Wunschzettel. Derzeit wird der als Privatsender vom ORF 'mit einem Minigewinn geführt' – das habe aber wenig Sinn, so Wrabetz." Letzteres hätte ich auch so gesehen, aber warum sich der ORF die wenig sinnvolle Führung eines Privatsenders mit Minigewinn angetan hat, wird dadurch nicht erklärt - vor allem weil der ORF unter Wrabetz dem Rechnungshof schon entgegengehalten hat, dass der ORF mit der Übernahme aller Anteile an der Tourismusfernsehen Gesellschaft mbH (TW1) strategische und wirtschaftliche Interessen verfolgt hat (siehe dazu auch hier). Falls TW1 verkauft wird, würde ich gerne wissen, wieviel der ORF an diesem Abenteuer alles in allem verdient (oder verloren) hat.
2. Zu Inhalten der Wiener Zeitung wollte ich zwar nichts mehr schreiben, aber einen Satz von Andreas Unterberger in seiner aktuellen Kolumne muss man fast zitieren: "In Wahrheit aber bleibt das System demokratiepolitisch eine Provokation, solange der ORF mit den Pflichtbeiträgen tut, was ihm beliebt." Wie ist das eigentlich mit der Wiener Zeitung und den Pflichtbeiträgen (für Pflichtveröffentlichungen)? In diesem Zusammenhang ein Hinweis, wie es auch geht: Deutschland senkt mit Wirkung ab 1. Oktober 2009 die Kosten für die verpflichtende elektronische Veröffentlichung von Jahresabschlüssen.

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