Bedauernswerter ORF: zum Kauf von TW1 gezwungen
Über den aktuellen Rechnungshofbericht zum ORF wurde in den Medien breit berichtet (zB 1, 2, 3, 4, 5 usw). Der Bericht ist - ebenso wie eine Stellungnahme des ORF dazu - online leicht verfügbar (zB auch hier) und hat natürlich zahlreiche mehr oder weniger qualifizierte Reaktionen ausgelöst (und wird dies auch noch weiter tun). Ich habe nicht die Absicht, hier eine weitere allgemeine Stellungnahme dazu abzugeben, sondern - eher gegenläufig - in zwei oder drei Raten ein paar Details herausnehmen, die sonst eher untergehen.
Heute eine Anmerkung zu TW1, einem "Prestigeobjekt des ORF", in dem zB Bankhofers bezahlte Beiträge laufen. Im September 2005 vereinbarten ORF-Generaldirektorin Dr. Monika Lindner und Prof. Peter Schröcksnadel, Eigentümer der Sitour Management GmbH, die vollständige Übernahme des Spartenkanals TW1 durch den ORF (siehe diese ORF-Presseaussendung). Zu 50% gehörte die Gesellschaft damals bereits dem ORF, über den Kaufpreis für die weiteren 50% wurde, so die ORF-Aussendung, Stillschweigen vereinbart. Auch über die Motive für den Erwerb und die Ziele, die man mit damit verfolgen wollte, wurde nicht gerade offensiv kommuniziert ("Der ORF strebt an, langfristig die Zukunft für den Spartenkanal TW1 abzusichern", hieß es - aber warum das dem ORF ein Anliegen war, erschließt sich mir bis heute nicht). Der Rechnungshofbericht bringt nun ein klein wenig Aufklärung:
Und zweitens ist der "weil"-Halbsatz auch für sich allein falsch: der gesetzliche Auftrag des ORF wird nicht, auch nicht zum Teil, mit TW1 erfüllt. Der gesetzliche Auftrag des ORF ist in den §§ 3 bis 5 ORF-G (und seit 2006, also nach dem Erwerb der restlichen TW1-Anteile, auch in § 9a ORF-G) geregelt, und der Betrieb des Spartenprogramms TW1 durch eine Tochtergesellschaft geht "über die Aufträge nach den §§ 3 bis 5 hinaus", wie § 9 Abs 1 ORF-G ausdrücklich festhält.
Es wäre interessant zu wissen, wodurch oder durch wen der ORF wirklich "faktisch gezwungen" wurde, die restlichen TW1-Anteile zu übernehmen. Ein erzwungener Vertrag im Sinne des § 870 ABGB, der also "durch ungerechte und gegründete Furcht" veranlasst wurde, wäre übrigens nicht verbindlich ("Ob die Furcht gegründet war, muß aus der Größe und Wahrscheinlichkeit der Gefahr, und aus der Leibes- und Gemüthsbeschaffenheit der bedrohten Person beurtheilet werden."). Auch wenn jemand die Zwangslage eines anderen "dadurch ausbeutet, daß er sich oder einem Dritten für eine Leistung eine Gegenleistung versprechen oder gewähren läßt, deren Vermögenswert zu dem Werte der Leistung in auffallendem Mißverhältnisse steht", wäre der Vertrag nichtig (§ 879 Abs 2 Z 4 ABGB; das gilt auch, wenn der Leichtsinn, die Verstandesschwäche, Unerfahrenheit oder Gemütsaufregung ausgenützt wurde - aber das sollte man im gegebenen Fall doch nicht annehmen). Zur Frage des Missverhältnisses würde die Antwort freilich - mangels Unternehmensbewertung - eher schwierig.
Der Rechnungshof hält jedenfalls "beim Erwerb von Beteiligungen eine Unternehmensbewertung zur Beurteilung der Angemessenheit des Kaufpreises für erforderlich. Dies auch deshalb, weil der ORF laut dem Antrag an den Stiftungsrat neben strategischen auch wirtschaftliche Interessen an der Übernahme der Gesellschaftsanteile an der Tourismusfernsehen Gesellschaft mbH verfolgte." (Hervorhebung hinzugefügt).
Was wurde aus diesen wirtschaftlichen Interessen? Hier die Werte aus den Jahresabschlüssen: rechnet man die Ergebnisse der TW1 Betriebsführungs GmbH und der TW1 Tourismus Fernsehen GmbH jeweils zusammen, so ergibt sich aus dem Abschluss 2005 ein Minus von 8,9 TEUR, 2006 ein Plus von 12 TEUR und 2007 ein Plus von 18,3 TEUR. Unter Zugrundelegung des Kaufpreises von 3,2 Mio EUR für den 50% Anteil hat das Investment also in den Jahren 2006 und 2007 (zusammengerechnet!) nicht einmal ein halbes Prozent Rendite gebracht (der im Rumpfjahr 2005 erwirtschaftete Verlust trübt das Bild noch zusätzlich). Sollten vielleicht andere wirtschaftliche Interessen maßgeblich gewesen sein?
Nun, vielleicht entwickelt sich TW1 ja noch. Derzeit hat man allerdings eher den Eindruck, dass TW1 teilweise die Funktion einer ORF-Version der ÖIAG-Personalagentur (oder des Post-JobCenters) übernimmt: um Menschen zu beschäftigen, die man im angestammten Betrieb nicht mehr braucht, aber auch nicht kündigen kann. Im Kurier heißt es etwa: "Keine Diskussion beginnen will Wrabetz derzeit über die vom RH empfohlene Reduzierung der Direktoren-Posten. Die vom RH als nicht notwendig eingestufte Online-Direktion habe mit der Neuordnung von TW1 neue Aufgaben." Blöd nur, dass damit der wirtschaftliche "Erfolg" von TW1 gefährdet werden könnte: Geht man nämlich - entsprechend den gesetzlichen Vorgaben - davon aus, dass die Tätigkeit von TW1 kostenrechnerisch sauber getrennt ist, dann müssen natürlich die Aktivitäten von (zB) Online-Direktor Thomas Prantner für TW1 auch dort in Rechnung gestellt werden. Und legt man einen jährlichen Überschuss von TW1 in der Größenordnung von 20.000 Euro (nach 18.300 Euro 2007) zu Grunde, dann dürfte Direktor Prantner bei seinem Gehalt von - laut RH-Bericht - zumindest 240.000 Euro jedenfalls nicht länger als ein Monat für TW1 arbeiten, soll das Ergebnis nicht ins Minus drehen.
Noch zwei letzte Anmerkungen:
1. Bei einzelnen Tochtergesellschaften des ORF beziehen laut Angaben des ORF, die der Rechnungshof in seinem Bericht wiedergibt, die Geschäftsführer "aus alten ORF–Verträgen so hohe Einkommen ..., dass eine zusätzliche Zielvereinbarung nicht sinnvoll war"(!). Ob TW1 dazu gehört, geht aus dem Bericht nicht hervor; TW1-Geschäftsführer Mück war jedenfalls zuvor TV-Chefredakteur im ORF.
2. Wenn man sich das Programmschema von TW1 ansieht, fällt auf, dass die großen Werbeblocks (zehn Minuten) jeweils unmittelbar vor dem Wechsel zum - gebührenfinanzierten - Programm ORF Sport plus vorgesehen sind. Wie hier im Sinne der kostenrechnerischen Trennung die Einnahmen zugerechnet werden, hat der Rechnungshof offenbar nicht geprüft, jedenfalls steht dazu nichts im Bericht.
Heute eine Anmerkung zu TW1, einem "Prestigeobjekt des ORF", in dem zB Bankhofers bezahlte Beiträge laufen. Im September 2005 vereinbarten ORF-Generaldirektorin Dr. Monika Lindner und Prof. Peter Schröcksnadel, Eigentümer der Sitour Management GmbH, die vollständige Übernahme des Spartenkanals TW1 durch den ORF (siehe diese ORF-Presseaussendung). Zu 50% gehörte die Gesellschaft damals bereits dem ORF, über den Kaufpreis für die weiteren 50% wurde, so die ORF-Aussendung, Stillschweigen vereinbart. Auch über die Motive für den Erwerb und die Ziele, die man mit damit verfolgen wollte, wurde nicht gerade offensiv kommuniziert ("Der ORF strebt an, langfristig die Zukunft für den Spartenkanal TW1 abzusichern", hieß es - aber warum das dem ORF ein Anliegen war, erschließt sich mir bis heute nicht). Der Rechnungshofbericht bringt nun ein klein wenig Aufklärung:
"Im Oktober 2005 genehmigte der Stiftungsrat den Erwerb von 50 % der Gesellschaftsanteile an der Tourismusfernsehen Gesellschaft mbH durch das neu gegründete 100%–Tochterunternehmen des ORF, TW1 Betriebsführungsgesellschaft mbH, zu einem Kaufpreis von 3,2 Mill. EUR. ...Warum also hat der ORF das Unternehmen zur Gänze gekauft (und zwar ohne dass zuvor der Unternehmenswert ermittelt worden wäre)? Noch ein Zitat aus dem Bericht:
Der RH bemängelte die nur wenig aussagekräftigen Anträge an den Stiftungsrat über den Erwerb von Beteiligungen. Der RH empfahl, mit den Anträgen an den Stiftungsrat eine fundierte Unternehmensprognose vorzulegen ... Weiters empfahl der RH, vor jedem Beteiligungserwerb eine Unternehmensbewertung durchzuführen."
"Der ORF erwiderte, faktisch gezwungen gewesen zu sein, die Anteile an TW1 zu übernehmen, weil der gesetzliche Auftrag zum Teil mit dieser Gesellschaft erfüllt werde."Eine mutige Behauptung - aber falsch. Denn erstens erklärt der "weil"-Halbsatz gar nichts: dass der gesetzliche Auftrag zum Teil mit TW1 erfüllt wird, begründet in keiner Weise, weshalb es im Jahr 2005 plötzlich nicht mehr ausreichend war, "bloß" 50% der Anteile und beherrschenden Einfluss auf diese Gesellschaft - gesichert zB durch gesellschaftsvertragliche Regelungen oder Syndikatsvertrag - zu haben (wie dies § 9 Abs 1 Z 1 ORF-G seit 2001 verlangt hat - und ich will ja nicht annehmen, dass der ORF Jahre hindurch einfach das ORF-G ignoriert hätte).
Und zweitens ist der "weil"-Halbsatz auch für sich allein falsch: der gesetzliche Auftrag des ORF wird nicht, auch nicht zum Teil, mit TW1 erfüllt. Der gesetzliche Auftrag des ORF ist in den §§ 3 bis 5 ORF-G (und seit 2006, also nach dem Erwerb der restlichen TW1-Anteile, auch in § 9a ORF-G) geregelt, und der Betrieb des Spartenprogramms TW1 durch eine Tochtergesellschaft geht "über die Aufträge nach den §§ 3 bis 5 hinaus", wie § 9 Abs 1 ORF-G ausdrücklich festhält.
Es wäre interessant zu wissen, wodurch oder durch wen der ORF wirklich "faktisch gezwungen" wurde, die restlichen TW1-Anteile zu übernehmen. Ein erzwungener Vertrag im Sinne des § 870 ABGB, der also "durch ungerechte und gegründete Furcht" veranlasst wurde, wäre übrigens nicht verbindlich ("Ob die Furcht gegründet war, muß aus der Größe und Wahrscheinlichkeit der Gefahr, und aus der Leibes- und Gemüthsbeschaffenheit der bedrohten Person beurtheilet werden."). Auch wenn jemand die Zwangslage eines anderen "dadurch ausbeutet, daß er sich oder einem Dritten für eine Leistung eine Gegenleistung versprechen oder gewähren läßt, deren Vermögenswert zu dem Werte der Leistung in auffallendem Mißverhältnisse steht", wäre der Vertrag nichtig (§ 879 Abs 2 Z 4 ABGB; das gilt auch, wenn der Leichtsinn, die Verstandesschwäche, Unerfahrenheit oder Gemütsaufregung ausgenützt wurde - aber das sollte man im gegebenen Fall doch nicht annehmen). Zur Frage des Missverhältnisses würde die Antwort freilich - mangels Unternehmensbewertung - eher schwierig.
Der Rechnungshof hält jedenfalls "beim Erwerb von Beteiligungen eine Unternehmensbewertung zur Beurteilung der Angemessenheit des Kaufpreises für erforderlich. Dies auch deshalb, weil der ORF laut dem Antrag an den Stiftungsrat neben strategischen auch wirtschaftliche Interessen an der Übernahme der Gesellschaftsanteile an der Tourismusfernsehen Gesellschaft mbH verfolgte." (Hervorhebung hinzugefügt).
Was wurde aus diesen wirtschaftlichen Interessen? Hier die Werte aus den Jahresabschlüssen: rechnet man die Ergebnisse der TW1 Betriebsführungs GmbH und der TW1 Tourismus Fernsehen GmbH jeweils zusammen, so ergibt sich aus dem Abschluss 2005 ein Minus von 8,9 TEUR, 2006 ein Plus von 12 TEUR und 2007 ein Plus von 18,3 TEUR. Unter Zugrundelegung des Kaufpreises von 3,2 Mio EUR für den 50% Anteil hat das Investment also in den Jahren 2006 und 2007 (zusammengerechnet!) nicht einmal ein halbes Prozent Rendite gebracht (der im Rumpfjahr 2005 erwirtschaftete Verlust trübt das Bild noch zusätzlich). Sollten vielleicht andere wirtschaftliche Interessen maßgeblich gewesen sein?
Nun, vielleicht entwickelt sich TW1 ja noch. Derzeit hat man allerdings eher den Eindruck, dass TW1 teilweise die Funktion einer ORF-Version der ÖIAG-Personalagentur (oder des Post-JobCenters) übernimmt: um Menschen zu beschäftigen, die man im angestammten Betrieb nicht mehr braucht, aber auch nicht kündigen kann. Im Kurier heißt es etwa: "Keine Diskussion beginnen will Wrabetz derzeit über die vom RH empfohlene Reduzierung der Direktoren-Posten. Die vom RH als nicht notwendig eingestufte Online-Direktion habe mit der Neuordnung von TW1 neue Aufgaben." Blöd nur, dass damit der wirtschaftliche "Erfolg" von TW1 gefährdet werden könnte: Geht man nämlich - entsprechend den gesetzlichen Vorgaben - davon aus, dass die Tätigkeit von TW1 kostenrechnerisch sauber getrennt ist, dann müssen natürlich die Aktivitäten von (zB) Online-Direktor Thomas Prantner für TW1 auch dort in Rechnung gestellt werden. Und legt man einen jährlichen Überschuss von TW1 in der Größenordnung von 20.000 Euro (nach 18.300 Euro 2007) zu Grunde, dann dürfte Direktor Prantner bei seinem Gehalt von - laut RH-Bericht - zumindest 240.000 Euro jedenfalls nicht länger als ein Monat für TW1 arbeiten, soll das Ergebnis nicht ins Minus drehen.
Noch zwei letzte Anmerkungen:
1. Bei einzelnen Tochtergesellschaften des ORF beziehen laut Angaben des ORF, die der Rechnungshof in seinem Bericht wiedergibt, die Geschäftsführer "aus alten ORF–Verträgen so hohe Einkommen ..., dass eine zusätzliche Zielvereinbarung nicht sinnvoll war"(!). Ob TW1 dazu gehört, geht aus dem Bericht nicht hervor; TW1-Geschäftsführer Mück war jedenfalls zuvor TV-Chefredakteur im ORF.
2. Wenn man sich das Programmschema von TW1 ansieht, fällt auf, dass die großen Werbeblocks (zehn Minuten) jeweils unmittelbar vor dem Wechsel zum - gebührenfinanzierten - Programm ORF Sport plus vorgesehen sind. Wie hier im Sinne der kostenrechnerischen Trennung die Einnahmen zugerechnet werden, hat der Rechnungshof offenbar nicht geprüft, jedenfalls steht dazu nichts im Bericht.
Labels: ORF, Rechnungshof, Rundfunkrecht, TW1
1 Comments:
Schade, dass Leute die so viel zu dieser Themaitik wissen und außerdem noch integer isnd, nicht in die Politik gehen. Dort kann man - zumindest wenn man erfolgreich ist - das Übel an der Wurzel packen. Als Richter kann man immer nur den Dreck wegräumen, soweit das die schwammige Gesetzeslage überhaupt zuläßt. Hut ab für Ihren Blog. TF
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