Saturday, September 06, 2008

Die Welt ist ein D-ORF, oder: Erinnerungen an Meischberger

Vielleicht wollte sich Ing. Walter Meischberger einfach nur in Erinnerung rufen: immerhin hatte ihm ja der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte vor etwa eineinhalb Jahren bescheinigt, dass sich kaum jemand an ihn erinnere ("Mr Meischberger ... is hardly remembered by the public at all"). Und so produzierte Meischberger mit seiner Werbeagentur, deren Website noch under construction ist, gleich ein "Web 2.0-Konzept" - und zwar ausgerechnet für den ORF.

Nun dürfte es angesichts des laufenden Beihilfenverfahren strategisch vielleicht nicht der günstigste Zeitpunkt für den öffentlich-rechtlichen ORF sein, Online-"Einkaufsstraßen", Auktionen, Kontaktbörsen und Ähnliches (so der Inhalt des Konzepts laut Standard) zu planen, und insofern ist es vielleicht nicht ganz falsch, wenn Meischberger (laut ORF-Aussendung) der Meinung war, dass das Konzept "... für die Unternehmenszukunft von Bedeutung sein könnte."

Dass der ORF nach Prüfung des Konzepts durch die Rechtsabteilung zum Ergebnis gekommen ist, das Projekt nicht umzusetzen, ist wenig verwunderlich. Bemerkenswerter ist schon, dass es überhaupt so weit gekommen ist: nach der eigenen Darstellung des ORF gab es ja mindestens drei Termine, davon zwei mit dem Generaldirektor, bei denen dieses Projekt erörtert wurde, und erst nach der endgültigen Projektpräsentation (16. Juli 2008) kam nach einer Stellungnahme der Rechtsabteilung vom 21. August 2008 das Aus. Vorher noch sicherte sich der ORF die von Meischberger vorgeschlagene Domain d-orf.at (die Seite ist nicht aktiv), der Personenname im Eintrag bei der Nic lautet auf "Online Direktion-Thomas Prantner". Vielleicht hat Meischberger gemeint, wenn es schon eine Ö3-Gemeinde ("mit exklusiven Gewinnspielen") gibt, warum dann nicht auch ein ORF-Dorf?

Es ist noch nachvollziehbar, dass der Generaldirektor einem Ex-Stiftungsrat, der ihn auch zum GD wählte, die Möglichkeit gibt, Projekte vorzuschlagen, und da liegt es natürlich auch nahe, dass es um Projekte in der Online-Direktion unter Thomas Prantner geht, dessen Bestellung (zB laut Falter) ein Zugeständnis an das BZÖ (Meischbergers jedenfalls damalige Partei) gewesen sein soll; laut profil sei die Bestellung Prantners dem BZÖ "in die Hand versprochen" worden. Dass Prantner Meischberger zudem persönlich (auch im Wortsinne) nahe steht, kann man auch auf einem Foto von Andreas Tischler sehen, das beim ORF-Grillfest am 7. August 2008 (also zwischen Projektpräsentation und -ablehnung) aufgenommen wurde.

Wie soll man sich aber die Rolle Prantners vorstellen? Als Online-Direktor hätte er auch ohne Stellungnahme der Rechtsabteilung auf den ersten Blick erkennen müssen, dass die Sache für den ORF nicht in Betracht kommt - und dennoch hat er die Angelegenheit zumindest einige Zeit lang weiterverfolgt. Vor diesem Hintergrund ist die verärgerte Reaktion des ORF-Redakteurssprechers Fritz Wendl verständlich: er warf Prantner vor, "seine Geschäfte ganz im Sinn der Anti-ORF-Online-Agitation des VÖZ" zu betreiben.

Der ORF findet laut Presseaussendung solche Zurufe - wie immer - überflüssig; lieber sind ihm offenbar Präsentationstermine beim Generaldirektor, bei denen unrealistische Power Point-Präsentationen "dargeboten" werden.

Update 28.10.2009: Mit Präsentationen kennt sich Walter Meischberger offenbar gut aus: die Salzburger Nachrichten berichten, dass Meischberger im Frühjahr 2009 für eine Präsentation, die er für ORF Online-Direktor Prantner erstellt habe, mehr als 4000 Euro erhalten habe. Diesmal war die Präsentation offenbar etwas ganz anderes: es ging um "die konzeptionelle, strategische und technische Vorbereitung einer wichtigen multimedialen Keynotepräsentation". Übrigens: die Website der Agentur ist auch mehr als ein Jahr später immer noch "under construction".

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