Monday, September 15, 2008

Vorabentscheidungsverfahren zur obligatorischen Streitschlichtung in Telekomsachen

Zwei Neuigkeiten vom EuGH: die Schlussanträge des Generalanwalts in Sachen Vorratsdatenspeicherung (Rechtssache C-301/06 Irland/Rat und Parlament) wurden für den 14. Oktober 2008 angekündigt, und vier neue Vorabentscheidungsersuchen zur Auslegung unter anderem der UniversaldienstRL wurden anhängig gemacht.

Die neuen Vorabentscheidungsverfahren (C-317 /08, C-318/08, C-319/08 und C-320/08) sind in der (jeweils gleichen) Fragestellung nicht wirklich präzise, insbesondere wird sehr pauschal auf "Vorschriften des Gemeinschaftsrechts" verwiesen, die - sollte ihnen "zwingende Wirkung" zukommen - einem Beschluss (in unserer Terminologie wohl eher einer Verordnung) der italienischen Regulierungsbehörde vorgehen könnten. Unter diesen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts finden sich (ohne nähere Spezifizierung zB bestimmter Artikel dieser Normen)
Inhaltlich geht es um die Frage, ob ein obligatorisches Streitschlichtungsverfahren, das vor Anrufung des ordentlichen Gerichts absolviert werden muss, zulässig ist. Geregelt ist dies in Italien in der Verfahrensordnung für das Streitbeilegungsverfahren, die mit "Delibera n. 173/07/CONS" der AGCOM festgelegt wurde (konkret im Anhang A zu diesem Beschluss). Dort heißt es in Art. 3 Abs 1 im Wesentlichen, dass die Anrufung des Gerichts unzulässig ist, bevor das Streitbeilegungsverfahren vor den regionalen Kommunikationskomitees (oder ein Schlichtungsverfahren vor einer Einrichtung für die Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten iSd Empfehlung 2001/310/EG) nicht erschöpft ist.* Welchen konkreten gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen das obligatorische Streitschlichtungsverfahren widersprechen sollte, ist nach der Vorlagefrage nicht ganz klar:
  • die beiden Empfehlungen scheiden von vornherein aus, da sie keinen verpflichtenden Inhalt haben (auch nicht, wie etwa die Empfehlungen nach Art 15 der RahmenRL, aufgrund besonderer Richtlinienbestimmungen in verfahrensmäßiger Hinsicht);
  • auch wenn man Art 6 EMRK als "Gemeinschaftsgrundrecht" heranzieht, wird man die Vorschaltung eines Streitschlichtunsgverfahrens in diesen Fällen wohl kaum als unverhältnismäßige Einschränkung des Zugangs zu einem unabhängigen Gericht ansehen können (jedenfalls nicht per se: anders könnte es vielleicht sein, wenn das Verfahren besonders lange dauert und man als Betroffener nicht wirksam darauf hinwirken kann, dass es zu einem Abschluss kommt);
  • wie ein Verstoß gegen die VerbrauchsgüterkaufRL vorliegen könnte, bleibt schon nach deren Anwendungsbereich (im Kern: "bewegliche körperliche Gegenstände") dunkel,
  • und Art 34 der UniversaldienstRL - der die außergerichtliche Streitbeilegung ja gerade fördern möchte - schiene mir nur insofern für die Vorlagefrage interessant, als er von den Mitgliedstaaten auch verlangt, Maßnahmen zu ergreifen, "um sicherzustellen, dass diese [Streitbeilegungs-]Verfahren eine gerechte und zügige Beilegung von Streitfällen ermöglichen".
* Im Original: "Per le controversie di cui all’articolo 2 comma 1, il ricorso in sede giurisdizionale è improcedibile fino a che non sia stato esperito il tentativo obbligatorio di conciliazione dinanzi al Co.re.com competente per territorio munito di delega a svolgere la funzione conciliativa, ovvero dinanzi agli organi di risoluzione extragiudiziale delle controversie di cui all’articolo 13."

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