Wednesday, September 10, 2008

Nachlese zur parlamentarischen Medienenquete

Unter dem Titel "Medienrecht und Opferschutz" fand am 3. Juli 2008 eine parlamentarische Enquete des Nationalrats statt (siehe dazu schon hier, eine knappe Zusammenfassung in der Parlamentskorrespondenz hier). An diesem Tag standen vor dem Parlamentsgebäude immer noch die Gitter, die für die Käfighaltung von Fußballfans während der Fußball-EM aufgebaut worden waren (siehe Bild links), und zumindest Teile der Regierung waren damals noch guten Mutes, dass die Koalition auch nach der EM weiterbestehen könnte - die Ministerinnen Berger und Fekter sprachen durchaus ambitioniert von gesetzlichen Verbesserungen, auf die sie sich im Gefolge der Enquete noch einigen wollten. Daraus wurde zwar vorläufig nichts, aber es bleibt zu hoffen, dass sich auch der im Herbst neu gewählte Nationalrat damit befassen wird.

Das Protokoll der Enquete ist nun auf der Parlamentswebsite verfügbar (pdf, html). Auf fast 100 Seiten kann man Wort für Wort nachlesen; ich empfehle neben dem Plädoyer von Walter Berka für eine verbesserte media accountability (ab S. 11) vor allem die Ausführungen von Rechtsanwältin Eva Plaz (ab S. 67), die als Anwältin von Elisabeth F., Opfer des bekannten Verbrechens in Amstetten, präzis und eindrücklich die Situation ihrer Mandantin darlegt. Bezeichnend schon zu Beginn ihrer Ausführungen:
"Im Protokoll der Einvernah­me meiner Mandantin bei der Polizei steht fast nichts, was nicht auch in den Medien zu hören und zu lesen war, so oder so ähnlich, wie sie es ausgesagt hatte. Es fehlt nur ein bemerkenswerter Satz, der letzte in diesem Protokoll, und den lese ich Ihnen vor: Ich verlange, dass keinerlei Daten oder Gesprächsinhalte, die mich und meine Familie be­treffen, an irgendwelche Medien weitergegeben werden. – Ende der Vernehmung."
Angesichts des Berichts von Eva Plaz, aber auch des Impulsreferats von Holger Eich vom Kinderschutzzentrum Wien ("Die Opfer wollen das Interesse der Umwelt – aber diese will, bei allem Sensationshun­ger, nicht hören, wie es wirklich ist, ein Opfer zu sein.") relativiert sich die Bedeutung der üblichen juristischen Auseinandersetzungen. Dennoch lassen sich auch aus den weiteren Beiträgen interessante Einblicke vor allem auch in die Welt der PraktikerInnen sowohl in den Rechtsberufen als auch in den Medien gewinnen. Der frühere Sprecher von Bundespräsident Dr. Thomas Klestil, Prof. Heinz Nußbaumer, erzählte zB folgende Geschichte:
"Als Bundespräsident Thomas Klestil ... lange zwischen Tod und Leben kämpfend im Krankenhaus war, ein Polizist vor seiner Tür stand, Medienvertreter auch mit Hilfe einer Verkleidung als Krankenschwes­ter zu ihm ins Zimmer zu kommen, versucht haben und als alle entsprechenden Er­pressungsversuche einschlägiger Medien nicht gelungen sind, hat sich – das möchte ich der Wahrheit zuliebe dazu erzählen – ein österreichischer Spitzenpolitiker bei mir gemeldet, der gesagt hat, er muss den Bundespräsidenten unbedingt besuchen. Und als ich mit ihm ins Zimmer gegangen bin, hat er einen Fotoapparat aus der Tasche ge­zogen und gesagt, er braucht für ein bestimmtes Wochenmagazin – das habe er ver­sprochen – ein Foto."
Den Namen des Politikers hat Prof. Nußbaumer leider nicht genannt.

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