Saturday, February 24, 2007

Deutsches TKG:"Happy holidays, Regulierung!"

Ab heute gilt's: neue Märkte unterliegen in Deutschland grundsätzlich nicht mehr der Regulierung, so sieht es jedenfalls die am 23. Februar 2007 im deutschen BGBl veröffentlichte Änderung des deutschen TKG vor. Dass die "Regulierungsferien" für neue Märkte mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar wären, scheint - ganz vorsichtig ausgedrückt - zweifelhaft: Kommissarin Reding hat die diesbezügliche deutsche Argumentation schon als "eines wahren Winkeladvokaten würdig" bezeichnet. Das Vertragsverletzungsverfahren wurde schon vor Inkrafttreten angekündigt, und es scheint fast ausgeschlossen, dass Deutschland vor einem EuGH-Urteil einlenken wird. (update 26.2.2007: EU-Kommission eröffnet "beschleunigtes Vertragsverletzungsverfahren")

Hier einmal die Fakten:
  • Ein neuer Markt ist nach der neuen gesetzlichen Definition "ein Markt für Dienste und Produkte, die sich von den bislang vorhandenen Diensten und Produkten hinsichtlich der Leistungsfähigkeit, Reichweite, Verfügbarkeit für größere Benutzerkreise (Massenmarktfähigkeit), des Preises oder der Qualität aus Sicht eines verständigen Nachfragers nicht nur unerheblich unterscheiden und diese nicht lediglich ersetzen"
  • Solche neuen Märkte sollen nur dann der Regulierung nach Teil 2 dTKG (§§ 9 - 43 dTKG, im Wesentlichen Marktdefinition, Marktanalyse und Auferlegung spezifischer Verpflichtungen) unterliegen, wenn "Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass bei fehlender Regulierung die Entwicklung eines nachhaltig wettbewerbsorientierten Marktes im Bereich der Telekommunikationsdienste oder -netze langfristig behindert wird."
  • Bei der Prüfung der "Regulierungsbedürftigkeit" (!) und der Auferlegung von Maßnahmen hat die Regulierungsbehörde (Bundesnetzagentur) "insbesondere das Ziel der Förderung von effizienten Infrastrukturinvestitionen und die Unterstützung von Innovationen" zu berücksichtigen.
Und was kann man - in aller Kürze - dazu sagen?
  • Die Marktdefinition - und vor allem auch die Bestimmung, ob der Markt "relevant" ist, also der Regulierung unterliegen soll - hat jedenfalls "im Einklang mit den Grundsätzen des Wettbewerbsrechts" zu erfolgen (Art 15 Abs 3 RahmenRL); dabei sind für die Abgrenzung der für die Regulierung relevanten Märkte sind im Kern drei Kriterien maßgeblich (siehe Erwägungsgrund 9 zur "Märkteempfehlung"):
    - Das Bestehen beträchtlicher, anhaltender strukturell oder rechtlich bedingter Zugangshindernisse;
    - Die fehlende Tendenz zu wirksamem Wettbewerb auf dem konkreten Markt (innerhalb des von einer ins Auge gefassten Regulierungsmaßnahme betroffenen Zeitraums) ;
    - Dem Marktversagen kann mit Hilfe des Wettbewerbsrechts allein nicht entgegengewirkt werden.
  • Ob sich ein Mitgliedstaat dazu entschließt, einige dieser Märkte vielleicht als "neu" oder "alt", "bunt" oder "einfärbig" oder sonst irgendwie zu bezeichnen, ist für sich genommen unerheblich. Jedenfalls setzt auch die neue deutsche Regelung offenbar voraus, dass sich die Regulierungsbehörde zunächst einmal mit der Frage der Marktabgrenzung und der Beurteilung der Relevanz der abgegrenzten Märkte befasst, könnte sie doch sonst nicht feststellen, welcher der Märkte allenfalls "neu" ist. Wenn die Regulierungsbehörde aber im Zuge dieser ersten Analyse zur Auffassung kommt, bestimmte Märkte seien nicht relevant für die Regulierung - etwa weil sie zu wirksamem Wettbewerb tendieren oder das allgemeine Wettbewerbsrecht ausreicht, dann legt sie diese Märkte gar nicht erst fest.
  • Die Diskussion um "neue Märkte" kann daher, wenn sie sinnvoll sein soll (worüber ich mir allerdings nicht ganz sicher bin), erst dort ansetzen, wo die Regulierungsbehörde einen Markt gefunden hat, der beträchtliche Zugangshindernisse aufweist, nicht zu Wettbewerb tendiert und bei dem Marktversagen nicht mit allgemeinem Wettbewerbsrecht bekämpft werden kann.
  • Wenn dieser Markt nun noch "neu" ist - sich also die "Dienste oder Produkte" von den bislang (heißt das: bis zum 24.2.2007?) vorhandenen erheblich unterscheiden - dann müsste nach § 9a Abs 2 dTKG geprüft werden, ob eine langfristige Behinderung der Entwicklung des Wettbewerbs zu erwarten ist - das ist aber wohl schon Voraussetzung dafür, dass der Markt überhaupt relevant ist.
  • Insofern könnte man auch zum Ergebnis kommen, dass die ganze Regelung bloße Signalgesetzgebung ist, die materiell ohnehin nichts ändert (weil sie auf Grund der zwingenden Vorgaben des Gemeinschaftsrechts auch gar nichts ändern kann), die aber dem Incumbent immerhin signalisiert, dass man seinen Wünschen gegenüber aufgeschlossen ist.
  • Was schließlich die Berücksichtigung der Förderung von Infrastrukturinvestitionen und Innovationen betrifft, liegt die Problematik nicht in diesen Zielen an sich (siehe dazu Art 8 Abs 2 lit c der RahmenRL), sondern im Wort "besonders": soll damit gemeint sein, dass diese Ziele über anderen Zielen stehen, etwa der Sicherstellung größtmöglicher Vorteile für Nutzer oder der Gewährleistung, dass es keine Wettbewerbsverzerrungen gibt (Art 8 Abs 2 lit a und b RahmenRL), dann lässt sich dies mit den Vorgaben der Richtlinie nicht vereinbaren.
In diesem Sinne: "Happy holidays, Regulierung!" Jedenfalls bis der EuGH "Back to class!" ruft.

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