Thursday, July 02, 2009

Die neue Rundfunkmitteilung, eine erste "Differenzanalyse"

Nach zwei Konsultationen (und Abwarten der Parlamentswahl) hat die Kommission heute die lange angekündigte Neufassung der "Rundfunkmitteilung" beschlossen ("Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk", siehe auch die Presseaussendung dazu; außerdem die Beiträge bisher in diesem Blog hier, hier und hier; update 27.10.2009: heute wurde die Mitteilung im Amtsblatt veröffentlicht). Substanzielle Änderungen gegenüber dem Konsultationsentwurf sind erwartungsgemäß nicht auszumachen; dennoch hier einmal eine Übersicht über die vorgenommenen Änderungen (im Vergleich zum zweiten Konsultationsentwurf).
  • Ein weiterer ausdrücklicher Hinweis auf das Amsterdam-Protokoll findet sich nun in Absatz 3 (am Ende).
  • Eine kurze Darlegung des Inhalts der Empfehlung des Europarates betreffend den Auftrag der öffentlich-rechtlichen Medien in der Informationsgesellschaft (Absatz 14).
  • Absatz 29 wurde (nur redaktionell?) gestrafft: Bisher hieß es: "Dabei muss die Kommission alle rechtlichen und wirtschaftlichen Elemente berücksichtigen, die für das Rundfunksystem des jeweiligen Mitgliedstaates von Bedeutung sind. Obgleich die rechtlichen und wirtschaftlichen Elemente, die für eine solche Prüfung relevant sind, in allen bzw. in den meisten Mitgliedstaaten Gemeinsamkeiten aufweisen, befürwortet die Kommission eine Einzelfallprüfung" - nunmehr: "Angesichts all der Elemente, die für die Rundfunksysteme der einzelnen Mitgliedstaaten von Bedeutung sind, befürwortet die Kommission eine Einzelfallprüfung".
  • Redaktionell geändert wurde in Absatz 31 die Aufzählung der Prüfreihenfolge.
  • In Abs. 40 wurde eingefügt, dass die Verhältnismäßigkeitsprüfung der Kommission "vor allem auf der Grundlage der von den Mitgliedstaaten vorzulegenden Informationen" erfolgt.
  • Die aus österreichischer Sicht interessante "Kleinstaatenklausel" in Absatz 42 wurde wieder etwas abgeschwächt, denn die Kommission muss demnach, wenn sie den "Schwierigkeiten mancher kleiner Mitgliedstaaten" Rechnung trägt, neu "dabei aber auch die potenziellen [!] Bedenken vonseiten anderer Medien in diesen Mitgliedstaaten berücksichtigen."
  • In Abs. 47 wurde ein weiterer (durchaus selektiver) Hinweis auf die Rechtssache T-442/03 SIC eingefügt: "Wie das Gericht erster Instanz festgestellt hat, rechtfertigt sich ein derart weit gefasster öffentlich-rechtlicher Auftrag nur, wenn an die Dienstleistungen öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten qualitative Anforderungen gestellt werden".
  • In Abs. 48 werden drei wichtige Worte eingefügt (in der Folge fett hervorgehoben): "Die Kommission hat weder zu entscheiden, welche Programme als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse anzubieten und zu finanzieren sind, ..."
  • Im selben Absatz wird bei der Aufzählung von Tätigkeiten, die in der Definition des öffentlich-rechtlichen Auftrags einen offensichtlichen Fehler darstellen würden, statt wie im Entwurf auf "kommerzielle Gewinnspiele" nun auf die "Verwendung von Mehrwert-Telefonnummern für Gewinnspiele" verwiesen - mit einer Fußnote auf - welche Überraschung - die "Quiz Express"-Entscheidung des EuGH (dazu zuletzt hier); der Hinweis auf unverhältnismäßige Wettbewerbsverzerrungen und die Beeinträchtigung des
    grenzüberschreitenden Handels in diesem Absatz ist weggefallen.
  • Eine eher nur redaktionelle Ännderung erfolgte in Absatz 52, demnach kann die Betrauung mit einem neuen Dienst "unmittelbar durch die in Abschnitt 6.7. dargelegte Prüfung" erfolgen (statt bisher nach der).
  • Eine nette Änderung gibt es auch in Absatz 54: den Mitgliedstaaten obliegt es demnach nicht mehr, wie noch nach dem Entwurf, "nötigenfalls geeignete Abhilfemaßnahmen zu beschließen", sondern diese "zu veranlassen" - der bloßen Beschlussfassung traut die Kommission also nicht.
  • Eine geringfügige redaktionelle Anpassung gibt es im ersten Satz des Abs. 61.
  • Eine gewisse Relativierung lässt Abs. 70 zur Überkompensierung erkennen (die fett hervorgehobenen Worte wurden neu eingefügt): "stellt eine Überkompensierung grundsätzlich eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare Beihilfe dar, die gemäß den in diesem Abschnitt enthaltenen Ausführungen zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk an den Staat zurückzuzahlen ist."
  • Das zieht sich in Abs. 71 weiter - auch hier wurde ein relativierendes "grundsätzlich" eingefügt: "... darf jedoch der Betrag der öffentlichen Ausgleichszahlung grundsätzlich die Nettokosten des öffentlich-rechtlichen Auftrags auch unter Berücksichtigung anderer direkter oder indirekter Einnahmen aus diesem Auftrag nicht übersteigen."
  • In Abs. 73 formuliert die Kommission nun - im Hinblick auf "jährliche Überkompensierungen" etwas strikter: diese dürfen nur mehr zur Sicherung der FInanzierung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen einbehalten werden (an der 10%-Daumenregel ändert sich dadurch nichts); darüber hinausgehende Überkompensierungen sind nunmehr nicht nur "grundsätzlich", sondern "grundsätzlich ohne unangemessene Verzögerung" zurückzufordern.
  • Redaktionelle Anpassungen finden sich auch bei den außerordentlichen Rücklagen (Abs. 74 bis 76) sowie in der Folge bei den Finanaufsichtsmaßnahmen (Abs. 77 bis 79).
  • Verknappt wurde Abs. 80: nunmehr geht es nur mehr um die Frage,
    "inwiefern die Beihilfenvorschriften [nicht: das Protokoll von Amsterdam] auch auf audiovisuelle Dienste anwendbar sind, die über herkömmliche Rundfunktätigkeiten hinausgehen".
  • In Abs. 81 ist die Feststellung der Kommission entfallen, "dass eine Reihe von Mitgliedstaaten die Finanzierung öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten dadurch erleichtern wollen, dass sie es ihnen gestatten, im Rahmen ihres öffentlich-rechtlichen Auftrags neue audiovisuelle Dienste gegen direkte Bezahlung vonseiten der Zuschauer anzubieten." Dafür wurde in diesem Absatz eingefügt, dass die Rundfunkveranstalter die neuen Finanzierungsquellen nicht einfach nur "in zunehmendem Maße" nutzen, sondern dies "bei der Erfüllung ihres öffentlich-rechtlichen Auftrags" tun.
  • In Abs. 83 erfolgte für Dienste mit Entgeltelement eine etwas genauere Spezifizierung; es kommt darauf an, dass "das Entgeltelement nicht die besondere Charateristik des öffentlich-rechtlichen Dienstes in Frage stellt, die in der Befriedigung sozialer, demokratischer und kultureller Bedürfnisse der Gesellschaft besteht und anhand deren sich der öffentlich-rechtliche Dienst von rein kommerziellen Tätigkeiten unterscheidet."
  • In Abs. 85 ist die folgende Erläuterung zum Begriff der neuen Dienste entfallen: "Wenn beispielsweise Inhalte, die bereits über eine herkömmliche Verbreitungsplattform (wie Fernsehen oder Radio) ausgestrahlt werden, lediglich gleichzeitig über eine neue Plattform (wie Internet oder Mobilgeräte) verbreitet werden, so ist dies nicht als 'neuer' Dienst zu betrachten."
  • In Abs. 88 wurden die Anforderungen an das markte impact assessment neu formuliert; nun heißt es:
    "Im Rahmen der Prüfung der Auswirkungen auf den Markt sind beispielsweise folgende Aspekte zu untersuchen: das Vorhandensein ähnlicher bzw. substituierbarer Angebote, der publizistische Wettbewerb, die Marktstruktur, die Marktstellung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt, der Grad des Wettbewerbs und die potenziellen Auswirkungen auf Initiativen privater Marktteilnehmer. Diese Auswirkungen müssen gegen den Wert abgewogen werden, die die betreffenden Dienste für die Gesellschaft haben. Sind die Auswirkungen auf den Markt überwiegend nachteilig, so dürfte eine staatliche Finanzierung zugunsten der audiovisuellen Dienste nur dann verhältnismäßig sein, wenn sie durch den Mehrwert, der sich aus der Erfüllung sozialer, demokratischer und kultureller Bedürfnisse der Gesellschaft ergibt, gerechtfertigt ist, wobei auch das gesamte bestehende öffentlich-rechtliche Angebot zu berücksichtigen ist."
  • In Abs. 95 verlangte die Kommission im Entwurf eine Prüfung, ob öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten "im Zusammenhang mit dem öffentlich-rechtlichen Auftrag systematisch überhöhte Gebote für Premiumprogrammrechte abgeben" - nun wurde diese Formulierung in eine Fußnote verbannt, der Text fragt bloß noch, "ob sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit mit Blick auf den Erwerb von Premiumrechten einhalten".
  • Neu gegenüber dem Konsultationsentwurf ist der Abschnitt 7 über die zeitliche Begrenzung der Anwendung, nach denen die neue Mitteilung auf alle angemeldeten Beihilfen angewendet wird, wenn die Entscheidung nach der Veröffentlichung der Mitteilung im Amtsblatt erfolgt; bei nicht gemeldeten Beihilfen wird auf zuvor gewährte Beihilfen noch die alte Mitteilung angewendet.

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