Monday, October 19, 2009

Medienrecht: wenn auch "Fettdruck und Großbuchstaben im Rechtsmittel" nicht mehr helfen

"Dürfen Medien alles - wo sind die Grenzen des Journalismus?" war Thema des Club 2 vom 14.10.2009. Die Sendung bot Gelegenheit, nach langer Zeit wieder einmal ein News-Cover ausführlich im ORF zu zeigen und den Inhalt dieses "periodischen Druckwerks" zu bewerben darzulegen (warum das in der Werbung im ORF nicht geht, steht in § 13 Abs 8 ORF-G, s dazu auch das VfGH-Erkenntnis VfSlg 16.911). Der größte Teil der Diskussion kreiste denn auch um die Cover-Geschichte des am nächsten Morgen erschienenen News-Hefts.

Respekt habe ich vor Dr. Gottfried Korn, Rechtsanwalt (unter anderem für den ORF) und Honorarprofessor an der Uni Wien, der tapfer auf die tatsächlichen rechtlichen Rahmenbedingungen einschließlich der relevanten Rechtsprechung hinwies, während sonst weniger die rechtliche als die (jeweilige) moralische Dimension des "Dürfens" verhandelt wurde. News-Chefredakteur Atha Athanasiadis betonte, News mache "keinen Schlüssellochjournalismus", räumte aber immerhin ein, dass im Kriminalfall Josef F./Amstetten (in der Diskussion wurde der Name "F." übrigens immer ausgesprochen) ein News-"Cover" - ich denke, er meinte damit auch die Covergeschichte, nicht nur das Titelblatt selbst - erschien, das auch die News-eigenen Grenzen überschritten habe. Wörtlich sagte er:
"Das war ein Cover, von dem ich der Meinung bin, es hätte nicht erscheinen dürfen ... es war vor meiner Zeit, egal, aber es war ein Fehler, und dazu steht der gesamte Verlag."
Diese Erkenntnis dürfte eher neueren Datums sein, denn noch im Frühjahr 2009 hatte "die Medieninhaberin des periodischen Druckwerks N." außerordentlichen Revisionsrekurs gegen eine einstweilige Verfügung des OLG Wien vom 19.3.2009 im Zusammenhang mit der Berichterstattung zu diesem Kriminalfall erhoben (die wesentlichen Ausführungen des OLG Wien sind abgedruckt in Medien und Recht 2009, 239). Das OLG Wien hatte in der Berichterstattung einen Eingriff in den höchstpersönlichen Lebensbereich bzw eine Bloßstellung des Opfers konstatiert, durch "Veröffentlichungen, in denen das mutmaßlich Geschehene nicht neutral und sachlich, sondern in detailliertester, offenkundig auf die bloße Befriedigung der Neugier und Sensationslust der Leserschaft ausgerichteter Weise dargestellt wird". Auch das Recht des Opfers auf Namensanonymität wurde vom OLG Wien anerkannt.

Der OGH hat mit Beschluss vom 12. Mai 2005, 4 Ob 82/09a, den ao Revisionsrekurs zurückgewiesen, da keine erhebliche Rechtsfrage zu entscheiden war. Es lohnt sich, die - hier vollständig wiedergegebene - knappe Begründung zu lesen (Hervorhebung hinzugefügt):
"Es mag zwar zutreffen, dass das vorliegende Verfahren im Zusammenhang mit einem in den Medien so bezeichneten 'Kriminalfall des Jahrhunderts' steht. Allein dieser Umstand führt aber - trotz seiner mehrfachen Hervorhebung durch Fettdruck und Großbuchstaben auch im Rechtsmittel - noch nicht zur Zulässigkeit des Revisionsrekurses. Auf die als erheblich bezeichnete Rechtsfrage hat schon das Rekursgericht eine ausführliche und zutreffende Antwort gegeben. Der Name der Klägerin mag zwar bereits bekannt gewesen sein. Das rechtfertigte es aber bei einer umfassenden, auch die Wertungen des Medienrechts berücksichtigenden Interessenabwägung (dazu 6 Ob 266/06w = MR 2007, 73 - Mordzeuge) noch nicht, ihren Namen immer wieder im Zusammenhang mit drastischen Schilderungen intimer Details ihres Schicksals zu nennen und sie so stets neu der Sensationsgier des Publikums auszusetzen."
Leider lässt sich dem Beschluss nicht entnehmen, ob der ao Revisionsrekurs vielleicht nicht nur Fettdruck und Großbuchstaben verwendete, sondern womöglich auch noch "exklusiv" war.

Weitere Lesetipps im Nachhang zum Club 2: das Caroline-Urteil des EGMR, § 7 Mediengesetz, (beide von Dr. Korn erwähnt) und das Urteil des OGH vom 19.8.2009, 15 Os 81/09i, betreffend ein anderes Medium und ein anderes Verbrechensopfer (Schlagzeile "Natascha: Sooo süß ist ihre erste Liebe!"). Auch dieses Urteil trägt vielleicht ein wenig zur Antwort auf die Frage bei, ob Medien alles dürfen (die einfache Antwort: nein).

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